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Statt Sanktionen. Russland will sein Gas auch nach Griechenland liefern. Dazu müsste die Pipeline, die bisher nur in die Türkei führen soll, verlängert werden.

© Reuters

Alexis Tsipras zu Gast bei Wladimir Putin: Gas-Rabatte für ein Veto - Darüber verhandeln Russland und Griechenland

Russland sucht in Griechenland einen Verbündeten gegen die EU-Sanktionen. In Moskau glaubt man die Westbindung Athens in Frage stellen zu können. Tsipras will derweil vor allem eins: Geld.

Zu kommunistischen Zeiten wäre Alexis Tsipras, der am heutigen Mittwoch seinen Antrittsbesuch in Moskau macht, der Bruderkuss des Gastgebers sicher gewesen. Senatspräsidentin Valentina Matwijenko hatte gleich nach dem Wahlsieg der linksradikalen Syriza Ende Januar gejubelt, in Europa würden sich jene Kräfte durchsetzen, die sich gegen Druck und Einflussnahme auf nationale Volkswirtschaften und deren Sozialpolitik stemmen. Und Putin hatte sogleich Bereitschaft signalisiert, den klammen Hellenen mit russischen Krediten aus der Schuldenfalle zu helfen.

Vor allem die Tatsache, dass die Verhandlungen mit der EU derzeit in der Sackgasse stecken, habe, so der Tenor russischer Beobachter, Tsipras bewogen, seinen ursprünglich für Mai geplanten Russlandbesuch vorzuverlegen. Mehr als moralische Unterstützung sei jedoch nicht drin. Russlands gesamte Gold- und Devisenreserven würden nicht ausreichen, um Athens gigantischen Schuldenberg abzutragen, warnte der Politikwissenschaftler Juri Kwaschnin bei Radio Echo Moskwy.

Hoffnungen des Kremls, Griechenland aus der Euro-Zone und der EU herauszubrechen und für russische Integrationsprojekte zu vereinnahmen, was schon bei der zyprischen Schuldenkrise vor zwei Jahren misslang, seien unrealistisch, glaubt auch Griechenlandexperte Alexander Tewdoi-Burmuli, der an der Moskauer Kaderschmiede für Diplomaten unterrichtet.

Doch das steht womöglich gar nicht auf der Agenda von Wladimir Putin. Ihm geht es vielmehr um eine Koalition der Willigen, mit der die Front der Sanktionsbefürworter innerhalb der EU gesprengt werden kann. Ungarn, das bereits im Boot ist, und Griechenland spielen dabei eine Schlüsselrolle.

Die Trasse der Pipeline soll geändert werden

Kernstück des Plans ist der geänderte Trassenverlauf einer Gaspipeline, deren Bau Brüssel wegen Moskaus Ukraine-Politik cancelte. Nun soll sie über die Türkei nach Griechenland und von dort aus über Mazedonien und Serbien nach Ungarn führen. Prinzipiell einigte sich Putin darüber bereits mit seinen Amtskollegen in Ankara, Belgrad und Budapest. Dort wollen die Außenminister am Mittwoch eine Absichtserklärung dazu unterzeichnen, mit der Griechenlands Chefdiplomat Nikos Kotsias dann direkt nach Moskau zu Tsipras und Putin fliegt. Im Kreml will der griechische Premier über Rabatte für russische Gaslieferungen verhandeln – Griechenland bezieht zwei Drittel seines Bedarfs vom Staatskonzern Gazprom.

Athens Westbindung sei innenpolitisch stets umstritten gewesen, glauben russische Experten. Mit der Pipeline und mit Gemeinschaftsunternehmen zur Erschließung und Förderung kürzlich entdeckter Vorkommen in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer, an denen such Zypern beteiligt werden soll, will Moskau die Bande weiter lockern. Ebenso mit enger Kooperation auf dem Balkan.

Russland wie Griechenland betrachten die Region, deren Bevölkerung sich mehrheitlich zum orthodoxen Christentum bekennt, das in Russland wie in Griechenland de facto Staatsreligion ist, als ihr angestammtes Einflussgebiet. Daraus resultierende Rivalitäten stellen beide angesichts ihrer derzeitigen Probleme mit Europa erst mal zurück.

Auch für die Nöte griechischer Bauern hat Moskau ein offenes Ohr. Auf dem Wunschzettel, mit dem Tsipras nach Moskau fährt, stehen Handelserleichterungen: Athen wünscht sich ein Ende des Importstopps für griechische Agrarprodukte – Russland hatte die Sperre als Reaktion auf die EU-Sanktionen verhängt. Tsipras hatte die Sanktionen bereits vor seiner Abreise nach Moskau als „sinnlos“ und als „Sackgasse“ kritisiert.

Moskau zeigt seit Langem Interesse an einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Griechenland. So wollten die russischen Staatsbahnen RZD bereits im vergangenen Jahr den zur Privatisierung vorgesehenen Bahnbetreiber Trainose und den Hafen von Thessaloniki übernehmen, der als „Tor zum Balkan“ gilt. Über der Privatisierungspolitik der Athener Regierung schweben allerdings immer noch große Fragezeichen.

Ob in Moskau auch über einen russischen Hilfskredit für das nahezu zahlungsunfähige Griechenland gesprochen wird, ist ungewiss. Zwar ist Russland selbst knapp bei Kasse, aber wenn sich die Chance bietet, einen Keil in die EU und die Nato zu treiben, könnte sich Putin das einen Kredit kosten lassen. Als Dankeschön müsste Tsipras eine Verlängerung der Sanktionen in der EU mit seinem Veto blockieren.

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