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Politik: Alle fordern mehr Kontrollen

Gammelfleischskandal: Bundesregierung für allgemeine Standards / Händler und Gaststätten im Visier

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Unmittelbar vor der Konferenz der Verbraucherschutzminister von Bund und Ländern an diesem Donnerstag in Berlin deuten sich schärfere Kontrollen und Pflichten bei Lebensmittelhändlern, aber auch Gaststätten an. So fordert der baden-württembergische Verbraucherschutzminister Peter Hauk (CDU) „Meldepflichten bei Gaststätten und Verlässlichkeitsprüfungen für Händler“. Dem Tagesspiegel sagte Hauk, trotz funktionierender Kontrollsysteme bei Lebensmittelbetrieben würden noch immer Einzelhändler und Gaststätten mit Gammelfleisch beliefert. Niemand zwinge sie dazu, solche Vorfälle den Behörden zu melden, sodass die Herkunft des schlechten Fleisches festgestellt und eine Weiterverbreitung verhindert werden kann. „Das muss sich ändern“, sagte er. Überdies will Hauk bei der Bund-Länder-Konferenz anregen, Lebensmittelhändler in Zukunft einer gezielteren Überprüfung zu unterziehen, bevor die Unternehmen handelsrechtliche Zulassungen erhalten.

Offen zeigte sich Hauk gegenüber Forderungen von Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) nach bundeseinheitlichen Standards. „Wir brauchen deutschlandweit geltende Qualitäts- und Prüfungsmaßstäbe“, sagte Hauk. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich im Gammelfleischskandal hinter Seehofer. Merkel forderte im Verbraucherschutz „allgemeine Standards für alle Länder“. Sie unterstützte ausdrücklich die Bemühungen Seehofers um mehr Mitsprache des Bundes bei Lebensmittelkontrollen. Zugleich appellierte die Kanzlerin an die Länder, das vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte Verbraucherinformationsgesetz zu verabschieden.

Seehofer selbst verteidigte seine Forderungen. Sein Vorschlag stieß aber auch in der eigenen Partei auf Ablehnung. In Nordrhein-Westfalen lehnten Verbraucherschutzminister Eckhard Uhlenberg (CDU) und der Landkreistag die Forderungen Seehofers ab. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) sprach sich gegen eine Zentralisierung der Fleischkontrollen auf Bundesebene aus.

Die Verbraucherpolitikerin der Grünen, Bärbel Höhn, machte Seehofer dafür verantwortlich, dass es noch immer keine bundeseinheitlichen Qualitätsstandards bei der Lebensmittelkontrolle gibt. „Dem Bund die notwendigen Kompetenzen zu verschaffen, hat Herr Seehofer in diesem Frühjahr verschlafen“, sagte Höhn dem Tagesspiegel. Seehofer hätte die Föderalismusreform nutzen müssen, die Steuerungsmöglichkeiten des Bundes gegenüber den Ländern durchzusetzen. „Was jetzt kommt, ist nur noch Symbolpolitik“, sagte Höhn mit Blick auf die Bund-Länder-Konferenz der Fachminister am Donnerstag in Berlin.

Höhns Fraktionschefin Renate Künast forderte derweil eine „Eingreiftruppe“, die künftig den Fleischhandel in Deutschland kontrollieren soll. Jeder, der mit Fleisch handle, müsse das Gefühl haben, er könnte schon morgen kontrolliert werden, sagte die ehemalige Verbraucherschutzministerin.

Unterdessen stellte sich heraus, dass Gammelfleisch aus Bayern auch in andere EU-Staaten geliefert wurde. Das bestätigte ein EU-Sprecher. Betroffen seien Tschechien, Italien, Dänemark, Frankreich und die drei Benelux-Staaten. Zum Wochenbeginn war bekannt geworden, dass der bayerische Fleischskandal den Behörden bereits seit Ende 2005 bekannt war.

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