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Politik: Alle für Oskar

Die Delegierten stellen sich auf dem Wahlparteitag in Berlin hinter den früheren SPD-Vorsitzenden

Von
  • Sabine Beikler
  • Matthias Meisner

Ein paar Genossen erinnern sich an alte Gewerkschaftstage, andere Linke denken hämisch an die Inszenierungen des Zentralkomitees der SED: So eine große Parteitagsbühne für die Linkspartei wie am Samstag im Neuköllner Hotel Estrel gab es noch nie. Brav marschieren je zwei Spitzenkandidaten aus allen 16 Bundesländern auf das Podium. Neben ihnen das überdimensionale Logo der Linkspartei/PDS. Dann kommen die Politstars Lothar Bisky, Petra Pau, Gesine Lötzsch, Klaus Ernst von der Wahlalternative, Gregor Gysi – und Neumitglied Oskar Lafontaine, der sich das erste Mal auf einem Bundesparteitag der Linkspartei blicken lässt.

Damit der Saarländer sich im rechten Licht sonnen kann, sitzt in der ersten Reihe rechts von ihm die strohblonde Ex- Miss-Bundestag und Vize-Parteichefin Dagmar Enkelmann und links die sächsische Landtagsabgeordnete Katja Kipping. Oskar Lafontaine fühlt sich wohl.

Geduldig hört der frühere SPD-Chef zu, schaut nach rechts, nach links, faltet die Hände, um sie sich bald darauf zu reiben. Seine charmanten Nachbarinnen klären ihn über die einzelnen Debattenredner auf, etwa über die Störer aus dem Hamburger Landesverband. Erst nach der Mittagspause kommt sein großer Auftritt. „Das ist ein historisches Datum“, spricht er zu den 418 Delegierten. Zum ersten Mal trete ein Ex-SPD-Vorsitzender bei einem „PDS-Parteitag“ auf. Er sei sehr stolz darauf, an einer „freiwilligen Vereinigung einer demokratisch sozialistischen Linken in Deutschland“ teilzunehmen.

Lafontaine, im gedeckten Dreiteiler, wird heftiger und lauter, als er sich zur „Luxus-Linken-Debatte“ äußert. Die Worte „Luxus-Hemden, Luxus-Unterhemden, Luxus-Schuhe oder die Luxus-Insel Mallorca“ zähle er hier nur exemplarisch auf, „um den Schreibern die Arbeit zu erleichtern“. Die Feststellung, er habe einen Privatflieger gefordert, sei eine „Lüge und Unverschämtheit“. Die Glaubwürdigkeit der Linken bestehe nicht darin, ein niedriges Einkommen zu haben. „Ein Linker darf sich auch selbst etwas gönnen. Dann kann er auch anderen etwas gönnen.“ Lafontaine bekommt tosenden Applaus, er ist angekommen bei der PDS.

Deren Regie ist auch perfekt. Gleich nach dem Spitzenkandidaten stellt sich ein Olaf Michael Ostertag als „Hartz- IV-Empfänger“ vor. Fünf Stunden wird der Parteitag diskutieren, so dass es Gregor Gysi fast schon langweilig wird. „Keine Müdigkeit vortäuschen“, appelliert der frühere Fraktionschef, der nach dem 18. September zusammen mit Lafontaine wieder die Gruppe der Abgeordneten führen will. „Es geht jetzt erst richtig los.“ Über eine „Aufmerksamkeit, wie wir sie schon lange nicht mehr hatten“, freut sich Gysi. Und das stimmt ja auch: Selbst das japanische Fernsehen und die Moskauer Staatsduma haben Beobachter entsandt. Für Kritik an den Spitzenkandidaten jedenfalls soll auf dem Parteitag kein Platz sein. Und wenn andere die üben, „steckt dahinter der heimliche Futterneid, dass wir gleich zwei charismatische und populäre Redner aufzubieten haben“, sagt der Vorsitzende Lothar Bisky. Auch Wahlkampfchef Bodo Ramelow sieht nur Gründe für „Fröhlichkeit“: „Wenn Oskar ein Vermögen hat, soll er es genießen – wenn er Vermögenssteuer zahlt.“

Es ist der Tag der zelebrierten Versöhnung. Der Ehrenvorsitzende Hans Modrow, der das Projekt Linksbündnis zunächst mit gemischten Gefühlen verfolgte, hat durchgezählt, unter den Spitzenkandidaten in den Ländern, kam auf vier ehemalige SED-, vier SPD- und ein DKP-Mitglied. Die anderen waren „früher zu jung“ oder sind parteilos geblieben. „Die Phase der Nachfolgepartei der SED geht zu Ende, und das ist gut so“, ruft Modrow aus. Lafontaine zollt dem vorletzten DDR-Ministerpräsidenten „gebührenden Respekt“. Lafontaine hat Modrow 1982 kennen gelernt, als der noch Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden war. Schon damals habe Modrow „gegen Verkrustungen“ in der DDR gekämpft, sagt Lafontaine. Und Modrow, der sich gern als Wortführer der Basis in der PDS sieht, ist zufrieden: „So war halt die Geschichte.“

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