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Politik: Alle Städte im Visier

Die alliierten Kampfflugzeuge greifen nicht nur die Hauptstadt an. Piloten bombardieren auch Saddam Husseins Geburtsort

Der Krieg gegen den Irak begann mit der Bombardierung von Bagdad. Doch neben der Hauptstadt konzentrieren sich die Angriffe der Alliierten auf weitere Städte. Im Süden des Landes sind das Umm Kasr und Basra, im Nordirak werden Mossul und Kirkuk bombardiert. Tikrit ist ebenfalls Ziel der Truppen, nahe der Stadt ist der Diktator Saddam Hussein auf die Welt gekommen.

Tikrit

Tikrit ist die Heimatstadt Saddam Husseins und war bis zur osmanischen Zeit der Sitz eines christlichen Bischofs. Im Mittelalter soll Tikrit über eine wehrhafte Stadtmauer verfügt haben, hinter der sich die Kaufleute sicher fühlten. In der arabischen Welt ist Tikrit vor allem deshalb berühmt, weil hier Sultan Saladin geboren wurde, der große Gegenspieler von Richard Löwenherz und seinen Kreuzrittern. Saladin gelang es, die zerstrittenen Araber zu einen und Jerusalem von den Kreuzrittern zurückzuerobern. Von dieser Niederlage haben sich die abendländischen Ritterheere nie wieder erholt und zogen schließlich hundert Jahre später ganz ab. Tikrit erscheint heute als ein moderner Ort ohne Vergangenheit, besonders gefördert aus Saddam Husseins Staatskasse.

Bagdad

In ausladenden Kurven schlängelt sich der Tigris von Nordwesten her in die irakische Hauptstadt Bagdad mit ihren vier Millionen Einwohnern. Kalif Mansur ließ die Stadtmauer 762 am östlichen Tigrisufer hochziehen. Der Tigris war der Ausschlag für die Gründung Bagdads: Er sollte die Hauptstadt des Abbassidenreiches mit Ländern wie China verbinden, den Handel mit den Nachbarn zur Blüte treiben. Um das Jahr 1000 war Bagdad das intellektuelle Zentrum der Welt.

Heute gleitet der Tigris auf Höhe der historischen Altstadt durch ein hässliches Betonbett. Einzelne Kähne transportieren Zement oder Datteln, Kräne baggern das verschlammende Bett aus. Das Wasser ist stark verschmutzt. In der Altstadt stehen flache, zweigeschossige Häuser aus Beton oder gelben Ziegeln Wand an Wand. In Cafes mit groben Holzmöbeln trinken die Einwohner Tee, aus Internet-Cafes verschicken westliche Journalisten ihre Artikel.

Das moderne Zentrum Bagdads, Karch, liegt am Westufer des Tigris. Elf Brücken verbinden es mit dem historischen Zentrum Rusafah, sie wurden nach der Bombardierung von 1991 wieder aufgebaut. In Karch, inmitten von hohen Wohnblocks, liegen die meisten Ministerien und der Zentralbahnhof. Einen Kilometer vom Informationsministerium entfernt steht das Raschid-Hotel, von wo aus CNN am 17. Januar 1991 den Beginn des ersten Golfkriegs der USA meldete.

Künden die Ruinen des Abbassidenpalastes von einer großen Zeit, könnten die Ruinen von Saddam Husseins Regierungszentrale in Karch später Zeugnis über ein düsteres Kapitel in der Geschichte geben. Über eine Strecke von über fünf Kilometern schmiegt sich die Palastanlage ans westliche Flussufer. Das Hauptportal ist dem Felsendom in Jerusalem nachgebaut. Auf dem Areal liegen der Ministerrat, die Zentralen der Rüstungsindustrie und der Baath-Partei.

In ganz Bagdad entstanden in den vergangenen Jahren neue Moscheen und Denkmäler. Neue zivile Luftschutzbunker wurden nach Ansicht von Diplomaten nicht angelegt, sie gibt es allenfalls unter Hotels oder offiziellen Gebäuden. Am anderen Ende Bagdads, jenseits des überbauten Armee-Kanals Kanatal Jaisch, liegt der Slum Saddam City. Dort wohnen etwa zwei Millionen Menschen. Zur Vorbereitung auf die Bomben hat man in Saddam City Löcher gegraben und mit Brettern abgedeckt.

Basra

Basra, die zweitgrößte Stadt des Iraks, war einst kulturelles und kommerzielles Zentrum der Region. Doch die einst reichste Hafenstadt am Persischen Golf hat ihren Glanz verloren. Die Bevölkerung ist seit 1991 auf fast die Hälfte, rund 800 000 Menschen geschrumpft. Keiner spricht mehr von der Legende, nach der hier das Zentrum des Paradieses lag. Keine andere irakische Stadt war während des Krieges 1991 so heftig bombardiert worden wie Basra. Die Iraker hatten hier das militärische Kommunikations- und Logistik-Zentrum für die Besatzungstruppen in dem nur 80 km entfernten Kuwait eingerichtet. Mehr als in anderen Teilen des Irak wurde die Infrastruktur der Stadt zerstört, doch während Saddam Hussein sich auf den Wiederaufbau in Bagdad konzentrierte, wurde Basra fast völlig vernachlässigt.

Seit Jahrhunderten ist die Stadt ein wichtiger strategischer, aber auch kultureller Knotenpunkt. Wo sich Euphrat und Tigris umarmen, wurde der erste große Hafen der Region gegründet. Bis zur Entdeckung großer Ölfelder weiter im Süden Anfang des 20. Jahrhunderts, erwarben die Bürger ihren Wohlstand durch den Export von Datteln. Heftig zerstört wurde die Stadt 1991, als Schiiten und Kurden nach Ende des Krieges gegen Bagdad rebellierten. Sicherheitskräfte schlugen den Aufstand brutal nieder. Der Schock sitzt den Bewohnern noch in den Knochen. Diesmal, so berichtet einer, würde niemand gegen das Regime rebellieren.

Mossul

Die Provinzhauptstadt Mossul liegt am Oberlauf des Tigris in einem flachen Tal-Kessel. Sie ist mit etwa 430 000 Einwohner die größte Stadt im Norden des Irak. Sie ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt sowie ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum. Die arabische Altstadt liegt auf dem rechten Tigrisufer und ist von zahlreichen Parks und begrünten Vorstädten umgeben. Auf dem linken Flussufer inmitten eines großen Neubaugebietes liegen die Überreste der alt-mesopotamischen Stadt Ninive, die vor etwa 7000 Jahren gegründet wurde. Unter König Assurbanipal war sie die dritte Hauptstadt des mächtigen Assyriens. Der Palast des Königs enthielt eine Bibliothek mit 25 000 Tontafeln. Der Zustand der archäologischen Ruinen hat durch die Wirren nach dem Golfkrieg von 1991 stark gelitten.

Mossul ist etwa 4000 Jahre alt und berühmt für sein mildes Klima und für die hier hergestellten mit Silber und Gold durchwirkten Stoffe, die Musseline, die den Namen der Stadt tragen. Nach der arabischen Eroberung 641 n. Chr. stieg sie zu einem regionalen Handelszentrum auf. Von 1541 an gehörte sie zum Osmanischen Reich und sank zu einer über Jahrhunderte vernachlässigten Provinzstadt herab. In Mossul gibt es zahlreiche Kirchen und Klöster zu besichtigen. Seine Hauptsehenswürdigkeit ist das gekrümmte und reich verzierte 52 Meter hohe Minarett der Großen Moschee.

Umm Kasr

Die Stadt Umm Kasr hat den einzigen Tiefwasserhafen Iraks. 1967 wurde die Hafenanlage am nordwestlichen Persischen Golf eröffnet, im Golfkrieg 1991 stark zerstört, danach aber wieder aufgebaut. Zu Beginn des Krieges zwischen dem Irak und Iran (1980-88) gewann Umm Kasr an Bedeutung, weil der nach Basra führende Wasserweg des Schatt el Arab stark umkämpft und zudem durch gesunkene Schiffe blockiert war.

Kirkuk

Kirkuk ist mit seinen 450 000 Einwohnern ein Zentrum der Ölförderung im Norden. Die Stadt ist um einen künstlichen Hügel herum entstanden, auf dem einmal ein großes Schloss gestanden hat, und der heute einen eigenen Stadtteil bildet. Kirkuk hat eine wichtige verkehrstechnische Bedeutung, weil von hier die Hauptstraße in das zweite Kurdenzentrum Sulaimaniya und in das angrenzende Bergland führt. In der Umgebung von Kirkuk gibt es zahlreiche heiße Quellen. Auf einem Hügel östlich der Stadt soll der Prophet Daniel begraben sein. cebi/M.G.

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