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Politik: Alle Vögel fliegen tief

Von Gerd Nowakowski

Flughafen Schönefeld – eine Erfolgsgeschichte: Nirgendwo in Deutschland wächst die Zahl der Passagiere so schnell wie bei dem immer noch ein wenig an die DDR erinnernden Flughafen. Schönefeld – eine Pleitengeschichte: Das Projekt eines Großflughafens für die Region BerlinBrandenburg erzählt von Pannen, dilettierenden Verwaltungen und überheblichen Politikern. Nun haben Bundesverwaltungsrichter alle Bauarbeiten solange untersagt, bis über die Klage gegen die Baugenehmigung entschieden ist. Das ist in diesem Jahr die zweite Niederlage. Als vor zwei Monaten Richter kurzerhand den Landesentwicklungsplan kippten, waren die Politiker übrigens ebenso überrascht wie gestern.

Reaktionen damals: alles nicht so schlimm. Reaktionen heute: dito. Richtig ist, dass mit der Eilentscheidung nicht auf das Hauptverfahren geschlossen werden darf. Doch mit jeder neuerlichen Niederlage der Landesregierungen in Berlin und Potsdam wachsen die Zweifel, ob das größte Bauprojekt der Region auf einem guten Weg ist. Eines ist wohl sicher: Der mehrfach korrigierte Eröffnungstermin 2010 kann nicht gehalten werden – selbst wenn die Bundesverwaltungsrichter grünes Licht für das Milliardenprojekt geben.

Es beruhigt nicht, dass langwierige juristische Hindernisläufe bei Großprojekten in der Bundesrepublik die Regel sind. Ablenkung ist auch der Hinweis, dass Strukturentscheidungen häufiger von Gerichten getroffen werden als von gewählten Politikern. Die Belastungen der Anlieger durch einen lärmenden Airport abzuwägen gegen die vitalen Interessen einer Region, darauf haben die betroffenen Menschen einen Anspruch; entsprechend sorgfältig müssen Regierungen ihre Hausaufgaben machen. Standortwahl und Entscheidungsprozesse müssen transparent und nachvollziehbar sein, damit sie akzeptiert werden. In Berlin hat es aber über Jahre sowohl am festen Willen aller Verantwortlichen als auch an der sorgfältigen Vorbereitung gefehlt, angefangen mit der Entscheidung für den stadtnahen Standort Schönefeld entgegen anderer Empfehlung.

Dabei sind sich nahezu alle einig, dass ein neuer Großflughafen unverzichtbar ist für den bitter notwendigen Aufschwung in der Region. Im Sommer wird es endlich Direktflüge von der deutschen Hauptstadt in die USA geben. Billigflieger haben Berlin als Drehkreuz entdeckt, und Reisen nach Berlin boomen. Jetzt müssen nur noch die Unternehmen kommen. Unbedingte Entschlossenheit, den Großflughafen durchzuboxen, strahlt die Politik dennoch nicht aus. Nach der vorletzten Niederlage im Februar musste der Chef der Landesplanung gehen, die Behörde wird umstrukturiert. Der Richterspruch machte klar, dass die Regierungschefs Matthias Platzeck und Klaus Wowereit das Projekt zur Chefsache machen müssen. Die gestrige Niederlage lässt erneut zweifeln, dass sie die Sache ernst genug nehmen. So gab es Warnungen, mit Bauarbeiten zu beginnen, weil sich sonst die Bundesverwaltungsrichter provoziert fühlen könnten. Die Warnungen wurden in den Wind geschlagen.

Nun wird Berlin noch länger mit dem überlasteten Flughafen Tegel, dem verlustbringenden Tempelhof und dem maroden Schönefeld leben müssen. Ein Desaster, das im Ausland keiner versteht. Je länger das Vorhaben in der Schwebe ist, umso größer wird die Gefahr, dass sich Politiker wieder von dem Vorhaben verabschieden. Mancher denkt schon über einen Alternativstandort Sperenberg nach, tief in Brandenburg gelegen – oder daran, alles so zu lassen, wie es ist.

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