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Politik: Alles läuft auf Schwarz-Rot zu

Verzichten Schröder und Merkel auf ihren Führungsanspruch? / Kein Jamaika in Berlin

Berlin - Im Machtpoker ums Kanzleramt hat die Union am Freitag die Option einer schwarz-gelb-grünen Ampelkoalition verloren und muss sich nun auch offiziell auf eine große Koalition einrichten. Nach einem Sondierungsgespräch mit Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Edmund Stoiber erteilten die Grünen-Vorsitzenden Reinhard Bütikofer und Claudia Roth der so genannten Jamaika-Koalition eine Absage. Beide erklärten, sie könnten den Gremien ihrer Partei keine weiteren Gespräche mit der Union empfehlen. Das Führungsduo begründete dies unter anderem damit, dass die Union nicht bereit gewesen sei, Konsequenzen aus dem Scheitern eines antiökologischen Wahlkampfs zu ziehen.

Dagegen erklärte Merkel, sie hätte gerne noch einmal im Detail über Schnittmengen mit den Grünen gesprochen. Für sie bestehe die Option eines schwarzgelb-grünen Bündnisses weiter. Es sei „nichts beendet, aber auch nichts verabredet“. Beide Seiten sahen Perspektiven für eine Zusammenarbeit in späterer Zukunft. Die Grünen betonten, das Treffen bedeute auch eine Entdämonisierung ihrer Partei auf der konservativen Seite.

Unterdessen wird in den Reihen von SPD und Union verstärkt über einen Rückzug beider Spitzenkandidaten nachgedacht, um den Weg für eine große Koalition frei zu machen. Entsprechende in der SPD verbreitete Überlegungen sprach Vizefraktionschef Michael Müller im SWR aus. Auf die Frage, ob Gerhard Schröders Kanzlerschaft Bedingung sei, sagte er: „Das heißt, dass wir erst mal mit diesem Kandidaten ins Feld gehen.“ Alles andere sei Sache von Verhandlungen. Nach Widerspruch aus den eigenen Reihen relativierte der SPD-Linke die Äußerung.

Einem RTL-Bericht zufolge befürwortet Schröder selbst eine große Koalition mit wechselnder Kanzlerschaft. Dabei wolle er erreichen, dass er die erste Hälfte der Wahlperiode im Amt bleibe. In der zweiten Hälfte könnte dann für die Union Merkel oder ein anderer Kandidat die Regierungsgeschäfte übernehmen.

Allerdings wird in der SPD zugleich bis in die Spitze hinein überlegt, welche politische Formel es Schröder erlauben würde, sein Amt doch abzugeben, ohne Ansehensverlust und noch dazu mit der größtmöglichen öffentlichen Wirkung für die Partei. Zur „Exit“-Strategie könnte dieser Satz werden: Gleich in welcher Koalition sich die SPD in der kommenden Legislaturperiode befindet, „Schröder ist immer drin“ – durch die Fortsetzung der von ihm begonnenen Agenda 2010. Schröder muss nicht mehr selbst in einer Koalition sein, sein Erbe bleibt, wäre damit die Interpretation.

In CDU und CSU werden ebenfalls Szenarien durchgespielt, auf Merkel als Kanzlerin zu verzichten. Unter den Ministerpräsidenten wird erörtert, welcher von ihnen den Anspruch am ehesten erheben könne. Nach aktuellem Stand ist das auf der CDU-Seite der Hesse Roland Koch, der aber programmatische Bedenken gegen eine große Koalition hat. Aber auch Stoiber mache sich noch Hoffnungen, wird berichtet. Er will im Fall einer großen Koalition nach Berlin wechseln.

Hinter geschlossenen Türen werden auch schon weiter gehende Personalvorschläge beraten. Merkel soll demnach angeboten werden, Fraktionschefin zu bleiben. Eine weitere Überlegung lautet, dass der Sozialdemokrat und frühere FDP-Generalsekretär Günter Verheugen, Vizepräsident der EU-Kommission, in eine große Koalition als Außenminister berufen werden könnte. Verheugens Kompetenz gilt allseits als unbestritten. Für seinen Posten in Brüssel käme dann Matthias Wissmann in Frage, ehemals Verkehrsminister, jetzt Europa-Experte der Union. Am Mittwoch kommender Woche soll es eine weitere Sondierungsrunde zwischen SPD und Union geben.

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