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Politik: Alles nur Manöver

Beim SPD-Kongress zur Wehrpflicht geht es nur um einen Stimmungstest – eine Entscheidung gibt es nicht

Berlin - Die SPD entscheidet am Wochenende nicht über die Wehrpflicht, auch wenn sie in den letzten Tagen den gegenteiligen Eindruck vermittelt hat. In Resolutionen, Appellen und Interviews lieferten sich Gegner und Befürworter des Dienstes einen Schlagabtausch, als stünde auf dem „Kongress zur Zukunft der Wehrverfassung“ an diesem Samstag eine Kampfabstimmung an.

In Wirklichkeit geht es bei der Diskussionsveranstaltung im Willy-Brandt-Haus um einen Stimmungstest vor dem Bundesparteitag Ende 2005. Dann erst will die SPD über Abschaffung oder Beibehaltung der Wehrpflicht beschließen; bis dahin haben beide Lager Zeit, ihre Truppen zu sammeln. Die Scharmützel der vergangenen zwei Wochen spiegeln hingegen lediglich das Bemühen der Wehrpflichtgegner wider, einen Etappensieg zu erzielen – und den Willen der Wehrpflichtanhänger, dies zu verhindern.

Den Anfang machte eine Gruppe jüngerer Sozialdemokraten um Präsidiumsmitglied Andrea Nahles sowie die Landeschefs Heiko Maas (Saarland) und Christoph Matschie (Thüringen). In einer Erklärung forderten sie ihre Partei dazu auf, bei dem Kongress ein „deutliches Zeichen“ für die Abschaffung der Wehrpflicht zu setzen. Zur Begründung führten die Unterzeichner vertraute Argumente an: Von Wehrgerechtigkeit könne keine Rede sein, da nur ein Bruchteil der Wehrpflichtigen tatsächlich eingezogen werde. Außerdem sei die Wehrpflicht angesichts des Wandels der Bundeswehr zu einer Armee der Friedenssicherung und des Konfliktmanagements nicht mehr gerechtfertigt, weil das Grundgesetz einen derartigen Eingriff in individuelle Freiheitsrechte nur zur Landesverteidigung vorgesehen habe.

Die Antwort der Wehrpflichtanhänger kam prompt, und auch sie führten Altbekanntes ins Feld. In einem Appell verteidigten etliche SPD-Politiker, darunter Verteidigungsstaatssekretär Walter Kolbow und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff, die Wehrpflicht als „starke Klammer für die Integration der Bundeswehr in unsere Gesellschaft“ und „unverzichtbares Qualitätsmerkmal unserer bürgernahen Streitkräfte“. Dieses Bekenntnis veranlasste Juso-Chef Björn Böhning zu der Bemerkung, der Aufruf sei eine „dokumentierte Bankrotterklärung einer antiquierten Wehrform aus dem Kalten Krieg“.

Die Schärfe der Auseinandersetzung steht im Kontrast zur Gelassenheit, mit der Kanzler Gerhard Schröder und SPD-Chef Franz Müntefering dem Parteitag Ende 2005 entgegensehen. Zwar gelten beide als Anhänger der Wehrpflicht, während in Partei und Fraktion die Zahl derer stetig wächst, die eine Berufsarmee bevorzugen: intern ist bereits von einer knappen Mehrheit die Rede. Aber Schröder und Müntefering haben sich öffentlich nicht festgelegt. Zu einer Niederlage des Führungsduos kann ein Votum für die Abschaffung deshalb nicht führen. Auch macht man sich im Kanzleramt keine Sorgen über negative Folgen für die Bundestagswahl 2006. In der Bevölkerung schwindet der Rückhalt für die Wehrpflicht ebenfalls, zeigen Umfragen.

Selbst der Verteidigungsminister kämpft nicht mit letzter Entschlossenheit. Peter Struck hat seine politische Zukunft ausdrücklich nicht mit der Wehrpflicht verknüpft: Wenn die SPD anders entscheidet, will er sich an den Umbau der Bundeswehr zur Berufsarmee machen.

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