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Politik: Alles, was recht ist

Hans Filbinger ist als Wahlmann in der Bundesversammlung umstritten – abberufen werden kann er nicht

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Edmund Stoiber würde am liebsten jetzt schon den Blick nach vorn richten. Eine „politische Zeitenwende“ werde die Bundespräsidentenwahl am Sonntag einleiten, schwärmt der CSU-Chef. Doch einstweilen bestimmt ein Rückblick auf die Vergangenheit die Debatte. Immer lauter wird die Kritik daran, dass für die CDU auch der Ex-Ministerpräsident und Ex- NS-Militärjurist Hans Filbinger in der Bundesversammlung sitzt. Eine „Geschmacklosigkeit“, sagt SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter. „Nicht nachzuvollziehen“, sagt Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden und selbst als Wahlmann von der CDU nominiert. Filbinger müsse als Wahlmann abberufen werden, verlangt das Simon-Wiesenthal- Zentrum. Seine Beteiligung an der Präsidentenwahl wäre „ein Schandfleck der deutschen Demokratiegeschichte“.

Die Abberufung ist indes unmöglich: Wenn der 90-Jährige nicht freiwillig verzichtet, kann ihn niemand daran hindern, am Sonntag im Reichstag seine Stimme abzugeben. Dass Filbinger verzichtet, halten alle, die ihn kennen, für ausgeschlossen. „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein“, war der Spruch, der ihn 1978 sein Amt kostete. Von dieser Art Rechtfertigung seiner Mitwirkung an Todesurteilen ist er nie abgerückt.

Benneter räumt ein, dass sich jetzt wohl nichts mehr ändern lasse. Freilich nur, um CDU-Chefin Angela Merkel sofort vorzuhalten, sie hätte vorher eingreifen müssen. „Frau Merkel ist da eigentlich wieder in der gleichen Linie, wie sie damals auch rumgeeiert ist, als es um ihren Fraktionskollegen aus dem Bundestag, Hohmann, ging“, ätzt der SPD-General.

Merkel reagiert knapp – „unverständlich“ sei die Kritik – und mit einer Gegenfrage: Wieso plötzlich die Aufregung, nachdem doch SPD und Grüne in Baden- Württemberg die Liste der Wahlmänner und -frauen in Stuttgart ohne Kommentar mit abgenickt hätten, Filbinger inklusive? Tatsächlich hat der Landtag in Stuttgart am 31. März „einmütig“, wie das Protokoll vermerkt, die Liste gebilligt, auf der die Fraktionen ihre Kandidaten eingetragen hatten. SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler mag diesen „guten Brauch“ aber nicht so verstanden wissen, dass seine Partei damit in der Mitverantwortung für die Vorschläge der anderen stehe: „Ganz klar ist, dass dabei jede Fraktion für ihre Mitglieder verantwortlich ist", sagt Drexler dem Tagesspiegel. Verhindern können hätte die SPD den CDU-Wahlmann nicht: „Es gibt da keine Sperrminorität für uns." Protestiert hat die Landes-SPD allerdings auch nicht, obwohl sie sich zuletzt beim Empfang der Landesregierung zu Filbingers 90. Geburtstag demonstrativ distanziert hatte. Vielleicht lag es auch an der Gewöhnung, dass niemand Anstoß nahm. Filbinger war schon sechs Mal CDU-Wahlmann in der Bundesversammlung. Dass das jetzt zum Skandal wird, führt Drexler auf die – falsche – Annahme zurück, als Ältester habe Filbinger beim Wahlakt eine besondere Rolle. Die Landes-CDU sieht das verschwörungstheoretischer. „Strategische Überlegungen“ vermutet Fraktionschef Günther Oettinger. SPD und Grüne erhofften Vorteile für ihre Kandidatin Gesine Schwan. Die sich übrigens ebenfalls zu Wort gemeldet hat: „Ich hätte es ganz angemessen gefunden, wenn Filbinger selbst verzichtet hätte“, sagte sie.

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