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Politik: Als Märtyrer ins Rampenlicht (Kommentar)

Egon Krenz sieht sich selbst als Märtyrer der deutschen Vereinigung. Jedenfalls das kann ihm niemand nehmen.

Egon Krenz sieht sich selbst als Märtyrer der deutschen Vereinigung. Jedenfalls das kann ihm niemand nehmen. Um so verblüffender wirkt es da, wenn sich plötzlich auch die Justizverwaltung daran beteiligt, dem widerborstigen Verurteilten ein Märtyrergewand zu weben. Gegen seinen Willen verlegt sie ihn in eine weniger komfortable Strafanstalt und gewährt ihm hinter deren Mauern das "Recht, die Strafe zu verbüßen, ohne permanent im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen". Als ob Krenz jemals etwas gegen die Öffentlichkeit gehabt hätte. Schon das klingt nach Sonderbehandlung. Noch eigenartiger wirkt die psychologische Begutachtung, mit welcher man jetzt feststellen will, ob der Mauer-Verantwortliche von damals heute noch eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt. Als ob der Mann ein Messer hinter dem Blecken seiner Zähne versteckte. Und dieselbe Justiz schweigt ganz einfach, wenn sein Verteidiger behauptet, bei allen anderen Strafgefangenen aus der DDR-Spitze habe es keine solchen Gutachten gegeben. Liegt das vielleicht daran, dass die anderen weniger Talent oder weniger Bereitschaft gezeigt haben, sich als Opfer der (west-) deutschen Justiz zu stilisieren? Und wenn das so wäre, ist es für die Justiz ihrerseits vertretbar - und ist es vernünftig -, den Ex-Staatschef als latenten Gewaltverbrecher zu stilisieren? Nein, es ist unvernünftig. Denn Krenz sind, politisch, schon vor elf Jahren die Zähne gezogen worden. Er ist kein Märtyrer.

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