zum Hauptinhalt

Politik: Als Wahlbeobachter von Belgrad über Kiew nach Nairobi

Berlin - Werner Schulz, der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete, hat mit Wahlfälschungen so seine Erfahrungen: Als er am 7. Mai 1989 bei Auszählungen in DDR-Wahlbüros dabei war und massive Manipulationen feststellte.

Von Matthias Schlegel

Berlin - Werner Schulz, der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete, hat mit Wahlfälschungen so seine Erfahrungen: Als er am 7. Mai 1989 bei Auszählungen in DDR-Wahlbüros dabei war und massive Manipulationen feststellte. Als er am 3. November 1996 in Belgrad miterlebte, wie Slobodan Milosevic den populären Zoran Djindjic um die Wahl betrog. Als er im November 2004 in Kiew geschockt war über das gefälschte Ergebnis der Stichwahl zwischen Viktor Juschtschenko und Viktor Janukowitsch. Überall folgten den massiven Verletzungen demokratischer Grundregeln Demonstrationen und gesellschaftliche Umbrüche.

Nun ist Werner Schulz wieder Zeuge „eines frechen Betrugs“ geworden: Am Freitag ist er aus Nairobi zurückgekehrt. Dorthin war er am Wahltag, dem 27. Dezember 2007, gereist – nicht als offizieller Wahlbeobachter und nicht als bundesdeutscher Politiker, sondern als politisch interessierter Mensch, dem das bürgerrechtliche Gen im Körper zu stecken scheint. Was Schulz in dem Staat erlebte, den auch er zuvor als relativ stabil und demokratisch eingeschätzt hatte, festigte seine Überzeugung: Freie, geheime, faire und wahrheitsgemäße Wahlen sind der Grundpfeiler der Demokratie.

Von Bürgerkrieg oder Ausnahmezustand will er nicht sprechen – doch explosiv sei die Lage in Kenia schon. Auf der Fahrt nach Mombasa begegneten ihm immer wieder aufgebrachte Kenianer mit Stöcken und Steinen in den Händen, am Straßenrand brannten Autoreifen. Doch der Zorn richte sich nicht gegen Touristen oder Weiße, sondern in erster Linie gegen die Oberschicht, die oft unermesslichen Reichtum angehäuft habe. Seiner Ansicht nach versuche die Oberschicht, die Ausschreitungen als Rivalität zwischen den Stämmen abzutun. In Mombasa sei der Tourismus um 60 bis 70 Prozent zurückgegangen, das habe Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation bis hin zum letzten Obstverkäufer. Nach Schulz’ Ansicht versucht Präsident Kibaki, „die Sache durchzuziehen“. Er setze auf Härte gegen jeglichen Widerstand und darauf, dass die nicht so gut organisierten Gegner nicht die Geduld zu einem lang anhaltenden friedlichen Protest hätten. „Doch eine Narbe wird bleiben im Gedächtnis des kenianischen Volkes.“ Matthias Schlegel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false