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Politik: Also ehrlich

Von Lorenz Maroldt

Wolf Biermann braucht keinen Freifahrschein von der BVG, und kostenlos beerdigen lässt er sich von dieser Stadt auch nicht. Zu erwarten wäre ohnehin ein Begräbnis letzter Klasse. Den Parteien, die an der Entscheidung über die Ehrenbürgerwürde für Berlins berühmtesten Barden würgen, fehlt ein Gefühl für die Dimension des Geschehens. Sie führen nur die Kämpfe von gestern noch einmal auf, selbstverständlich als Farce.

Biermann als Ehrenbürger – das ist schon eine bizarre Idee. Gemalt vom Lieblingskünstler, an den Nagel gehängt im Schöneberger Rathaus, neben Gorbatschow und Bush, Brandt und Schmidt, Scheel und Rau in der Ehrengalerie. Biermann bekäme auch kostenlos das Berliner Amtsblatt nach Hamburg geschickt. Nichts veranschaulicht den Kontrast besser als der Vergleich der Biermann’schen Lyrik mit der Behördenprosa. Das passt nicht zusammen. Eigentlich nicht.

Aber die Frage der Ehrenbürgerschaft für Biermann entzieht sich dem gewöhnlichen Vergleich. Biermanns Verbannung aus der Chausseestraße 131, von ihm provoziert und nach herrschender Logik erzwungen, markiert vielleicht nicht historisch korrekt, aber pathetisch gefühlt einen Wendepunkt der wichtigsten Geschichte Berlins. In die kleinen Risse, die Biermann in die Mauer kratzte, trieben andere später ihre Meißel. Biermann ist ein Symbol des freien Berlin. Die Stadt sollte stolz auf ihn sein.

Abgesehen von Biermanns Bedeutung, eingedenk der Widersprüche: Steht nicht dieser Senat dafür, dass auch das Skurrile und Schräge hier seinen Platz hat? Es wird verklemmt an einer Ausnahme von dieser Annahme gedrechselt, kurzatmig und kleinlich. Ein Ehrenbürger Biermann stört die rot-rote Ruhe. Er ist das schlechte Gewissen der Koalition.

Aus der PDS verlautet, Biermann sei es vermutlich nicht recht, von einer Partei geehrt zu werden, die er bekämpft. Welch fürsorgliche Rücksichtnahme: Wir schützen Biermann – vor uns. Zudem teile die PDS nicht die Position Biermanns in der Irakpolitik. Da endet der geistige Horizont schon in Friedrichsfelde, wo die Regierungsgenossen der Sozialdemokraten zu den Gräbern von Liebknecht und Luxemburg pilgern.

Und die SPD? Die Partei war mal das freiheitlich-linke Gegengewicht zu den linken Unterdrückern. Heute fehlt es an Größe, dieses Erbe zu wahren. Der Vorsitzende der Partei billigt Biermann „Verdienste“ zu, allerdings seien diese nicht herausragend genug. Ein Argument für Krämerseelen. Doch auch diese werden feststellen, dass es tausende Menschen gibt, die mehr für die Stadt geleistet haben als Kohl und Scheel, die wie der Berlin-Gegner Adenauer Ehrenbürger sind. Andere mäkeln, die Ehrenbürgerschaft sei nicht zur Wiedergutmachung da. Zur posthumen Vereinnahmung der einst vertriebenen Marlene Dietrich aber haben sie den Titel schamlos missbraucht.

Der Regierende Bürgermeister schweigt zu Biermanns Ehrenbürgerschaft, weil der Vorschlag von der CDU kam, eilfertig präsentiert. Das reichte schon. Wowereits Trotz ist berechenbar, das macht sich die CDU zunutze. Parteipolitisch ist ihre Initiative auch dann, ja gerade dann erfolgreich, wenn sie scheitert. Die Opposition scheinheiligt ihre Mittel, die Koalition führt sich selbst vor. Eigentlich verdiente die Ehrenbürgerwürde ein jeder, der dieser Stadt treu bleibt, trotz ihrer Politik.

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