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Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek (rechts) neben Regionalbischof Stefan Ark Nitsche

© dpa/Daniel Karmann

Update

Altdorf in Bayern: Mazyek nennt Bürgermeister-Äußerung "hoch gefährlich"

Ein CSU-Bürgermeister im fränkischen Altdorf nennt den Auftritt des muslimischen Verbandschefs Ayman Mazyek in einer evangelischen Kirche „Islamschweinerei“.

Von Matthias Meisner

Dass ein Muslim just am Reformationstag beim „Geistlichen Abend“ in einer evangelischen Kirche auftritt, hat in einem Dorf bei Nürnberg für viel Wirbel gesorgt. Nach islamfeindlichen Äußerungen des dritten Bürgermeisters haben im mittelfränkischen Altdorf mehrere hundert Menschen für Toleranz demonstriert.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, bekam am Montagabend bei einer Feier zum Reformationstag in der voll besetzten evangelischen Stadtkirche viel Applaus - die meisten Zuhörer erhoben sich dafür sogar von ihren Sitzen. Mazyek forderte die etablierten Parteien in seiner Rede auf, im Kampf um Wählerstimmen keine „gefährlichen rechtspopulistischen Parolen“ zu kopieren.

Um die Veranstaltung hatte es zuvor heftige Diskussionen gegeben. Das evangelische Dekanat, das die Einladung an Mazyek ausgesprochen hatte, hatte vor der Veranstaltung rund 100 islamfeindliche Hetzbriefe und Emails bekommen. Der dritte Bürgermeister der Gemeinde, Johann Pöllot (CSU), hatte den Termin als „Islamschweinerei am Reformationstag“ bezeichnet. Später distanzierte er sich von der „verheerenden“ Formulierung und entschuldigte sich beim evangelischen Dekan Jörg Breu sowie bei den Muslimen in seiner Gemeinde. Er sei kein Islamfeind und habe „keineswegs den Islam verunglimpfen“ wollen.

Von seiner inhaltlichen Kritik an der Veranstaltung nahm er nichts zurück. Die SPD in Altdorf fordert Pöllots Rücktritt. Dekan Breu sagte in einem Beitrag für das ARD-Morgenmagazin zur von Pöllot hinterlassenen Nachricht auf seinem Anrufbeantworter: „Ich habe angefangen zu zittern. Ich hab das wie einen Schlag ins Gesicht empfunden.“ Nach dem „Geistlichen Abend“ zeigte er sich „sehr glücklich und unglaublich erleichtert“ über den Verlauf.

Bürger demonstrieren gegen Bürgermeister und einige Pegida-Fans

Vor der Veranstaltung demonstrierten nach Polizeiangaben etwa 400 Menschen vor der Kirche. Der erste Bürgermeister Altdorfs, Erich Odörfer (CSU), sagte bei der Demonstration, die Formulierungen seines Stellvertreters seien „falsch und nicht angebracht“ gewesen. „Altdorf ist bunt und soll es auch bleiben“, sagte Odörfer unter dem lauten Jubel der Demonstranten. Dem Bündnis, das zu der Demonstration aufgerufen hatte, gehören unter anderem die evangelische und katholische Kirchengemeinde sowie der türkisch-islamische Kulturverein und die Parteien im Stadtrat an. Ihnen gegenüber standen etwa zehn bis 20 Teilnehmer einer der islamfeindlichen Pegida-Bewegung nahestehenden Gruppe.

Bei der Kundgebung gegen Islamfeindlichkeit sagte der Nürnberger evangelische Regionalbischof Stefan Ark Nitsche dem Evangelischen Pressedienst, er wolle der Gemeinde und dem Dekanat den Rücken stärken: „Wenn wir als Kirche nicht den Raum für einen solchen Dialog geben, haben wir unseren Auftrag verfehlt.“ Der Reformationstag erinnere daran, „dass wir Dingen auf den Grund gehen müssen und uns nicht mit eingefahrenen Lösungen zufrieden geben“.

Mazyek appellierte in seiner Ansprache „insbesondere an die konservativen (Parteien) und hier in Bayern ganz besonders an die CSU“. Das Konzept von Sündenbockdiskussionen und Abwertungen von Minderheiten gehe nicht auf - „das sehen wir in Österreich, in Frankreich, in England oder Ungarn“. Stattdessen sollten sich die Parteien mit den Rechten klar auseinandersetzen. „Gestalten statt spalten - das muss unser Credo sein“, sagte Mazyek.

„Wir brauchen keinen Islam à la Lenin, sondern à la Ghandi“

Vor der Veranstaltung sagte Mazyek, er nehme Pöllots Entschuldigung an. „Was bleibt ist, dass diese Hasssprache weiter salonfähig gemacht wurde.“ Sie hat „viel Gift rein gebracht“ und sei „hoch gefährlich“. Schon seit langer Zeit bekomme er viele Hassmails und immer wieder auch Mordaufrufe, sagte Mazyek am Dienstag dem Tagesspiegel, in der Qualität habe das leider zugenommen. Die Auseinandersetzungen um seinen Auftritt in Altdorf betrachtet er als „neue Zuspitzung“.

Mazyeks Bilanz seines Auftritts fiel gemischt aus. „Vorerst ist der Hass besiegt - der Kampf geht weiter“, sagte er. Die Aussage des dritten Bürgermeisters sei sehr gefährlich gewesen. „Hass hat sich vervielfacht, das ist das Problem.“ Es gebe „einen Bodensatz", mit dem sich Demokraten immer wieder auseinandersetzen müssten. Andererseits hätten die meisten Altdorfer „sehr wohl verstanden“, dass es darum gehe, „wie wir unser Zusammenleben gestalten“.

Von hochrangigen islamischen Geistlichen und Gelehrten erwarte er, dass sie unmissverständlich Position gegenüber islamistischen Terroristen beziehen, hatte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in seiner Rede am Montagabend erklärt. „Wir brauchen keine Fundamentalisten, keine Islamisten, eigentlich überhaupt keine -isten. Wir brauchen wieder mehr Menschen, die Gutes tun, und keine Ideologen. Wir brauchen keinen Islam à la Lenin, sondern à la Ghandi.“

Der Dialog zwischen den Religionen sei in diesen Tagen eine Herausforderung. „Und natürlich gibt es so etwas wie eine deutsche Leitkultur“, sagte Mazyek. Er denke dabei „an die Werte des Grundgesetzes, an unser Land der Dichter und Denker.“ Er denke auch an die jüdischen Dichter Heinrich Heine und Kurt Tucholsky und den muslimischen Friedenspreisträger Navid Kermani, an „Made in Germany“ und das deutsche Wirtschaftswunder. „Dies alles gehört für mich zur Leitkultur. Und von mir aus auch Halal-Würstchen und Oktoberfest“, meinte Mazyek.

Mazyek forderte die politischen Parteien zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremen auf. Strukturelle und alltägliche Diskriminierung gegenüber Muslimen sei bereits jetzt Realität. „Wir sind Deutsche, deutsche Muslime und dies nicht nur auf Bewährung“, unterstrich der Zentralratsvorsitzende. Die Schnittmenge zwischen Islam und der deutschen Wertegemeinschaft sei viel größer als im ersten Augenblick ersichtlich. Um dies zu erkennen, müssten beiden Seiten bereit sein, auf Vorurteile und Stereotype zu verzichten. (mit dpa, epd)

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