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Politik: Alte Freunde, neuer Job Von Ursula Weidenfeld

Es hat wohl selten einen Altbundeskanzler gegeben, der sich so zügig auf sein Leben nach der Politik einstellte: Ein paar Tage nach dem Auszug aus dem Kanzleramt hat Gerhard Schröder a) sein Bundestagsmandat zurückgegeben. Er hat b) sein neues Büro „Unter den Linden“ bezogen.

Es hat wohl selten einen Altbundeskanzler gegeben, der sich so zügig auf sein Leben nach der Politik einstellte: Ein paar Tage nach dem Auszug aus dem Kanzleramt hat Gerhard Schröder a) sein Bundestagsmandat zurückgegeben. Er hat b) sein neues Büro „Unter den Linden“ bezogen. Unter dem Altkanzler-Tagesordnungspunkt c) unterschrieb er beim schweizerischen Ringier-Verlag, um künftig als Türöffner in Osteuropa zu wirken. Sein internationales Flair stärkte er mit d) einem Englisch-Intensivkurs in Wales. Als älterer Staatsmann forderte er e) die Entführer der Archäologin Susanne Osthoff auf, ihr Opfer freizulassen. Alle diese Vorhaben hat er mit Tempo, Entschlossenheit und Pragmatismus angepackt. Respekt.

Problematisch ist f) die Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes bei der Erdgas-Ostsee-Pipeline, deren Bau gestern feierlich gestartet wurde. Den Ringier-Verlag und seine Osteuropa-Ambitionen würde es auch ohne Gerhard Schröder geben. Die Ostsee-Pipeline aber, sogar ihre Betreiberunternehmen Eon und Gasprom, würde es ohne die persönliche Einflussnahme Gerhard Schröders und Wladimir Putins so nicht geben: Der Zusammenschluss von Eon und Ruhrgas wurde erst nach einem schwierigen Kartellverfahren möglich. Schröder unterstützte das Vorhaben aktiv, indem er den Konzernchefs versprach, dass es die nötige Ministererlaubnis geben werde. Eon wurde zum größten Gasunternehmen Deutschlands. Auf russischer Seite betrieb zur gleichen Zeit Wladimir Putin den Aufstieg des staatseigenen Energiekonzerns Gasprom zum größten Energieunternehmen der Welt. Eon und Gasprom sind heute durch eine Minderheitsbeteiligung verflochten.

Dass Gerhard Schröder und sein Freund Putin wenig später die Zusammenarbeit für die Ostsee-Pipeline als Chefsache vereinbarten, galt als gemeinsamer Erfolg der beiden Männerfreunde, es war eins der letzten wirklich großen Projekte Schröders. Dass diese Pipeline nicht durch Polen geführt wird, wurde bei den neuen Mitgliedsländern der Europäischen Union übel genommen. Dass Schröder für seine Bemühungen mit einem Aufsichtsratsposten belohnt wird, ist anrüchig – unabhängig davon, ob und wie der Altbundeskanzler materiell davon profitiert. Denn der Einfluss der Regierung Schröder auf das Zustandekommen von Eon/Ruhrgas, auf das Pipeline-Projekt und auf dessen Streckenführung erscheint im Nachhinein als Einfluss des Interessenvertreters Schröder. Und: Als Vertreter der Eigentümer im Aufsichtsgremium stellt sich der Altbundeskanzler im Fall künftiger Interessenkonflikte klar auf die Seite beider Firmen – notfalls auch gegen das eigene Land.

Es geht in diesem Fall nicht darum, ob Politiker nach ihrer Amtszeit zum Memoirenschreiben verurteilt sind. Das sind sie nicht. Wenn die Politik ein interessantes Tätigkeitsfeld auch für die Eliten des Landes bleiben und werden soll, muss man akzeptieren, dass sich Politiker wirtschaftlich engagieren. Dafür gibt es gute Beispiele, wie Bundespräsident Horst Köhler, oder Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der heute Herausgeber der „Zeit“ ist. Und es gibt schlechte Beispiele, wie das des früheren EU-Kommissars Martin Bangemann, der nach seiner Amtszeit bei einem der Unternehmen anheuerte, die er kontrolliert hatte.

Es ist das Tempo Schröders, das unheimlich ist. Es ist die Nähe zum alten Job, zu den alten Freunden – und die Unmittelbarkeit, mit der er das erste Projekt seiner Nach-Politikerzeit angepackt hat.

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