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Politik: Alte Mieter, altes Recht

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Kurze Kündigungsfristen gelten nur für Verträge aus den letzten zwei Jahren. Muss das Gesetz jetzt wieder geändert werden?

Von Ursula Knapp, Karlsruhe

und Heike Jahberg

Wer seinen Mietvertrag vor dem 1. September 2001 geschlossen hat und sich nun mit dem Gedanken trägt, aus seiner Wohnung auszuziehen, sollte vorsichtig sein: Die neue, mieterfreundliche Kündigungsfrist von drei Monaten gilt für ihn nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch in einem Grundsatzurteil klargestellt, dass nur Neu-Mieter von den günstigen Regeln profitieren (Az.: VIII ZR 240/02). Die bei der damaligen Reform federführende Justizministerin Herta Däubler-Gmelin habe auch nichts anderes gewollt, hieß es zur Begründung. Stichwort: Vertrauensschutz der Vermieter.

Genau diese Interpretation der neuen Vorschriften war heftig umstritten. In der vorangegangenen mündlichen Verhandlung vor dem BGH hatten die Anwälte der Vermieter darauf beharrt, dass für die so genannten Altverträge nach wie vor die gestaffelten Kündigungsfristen von bis zu einem Jahr gelten müssen. Durch das neue Mietrecht seien sie nicht rückwirkend geändert worden. Der Gesetzgeber habe vielmehr anerkannt, dass die alten Fristen für Mieter nach wie vor gelten, wenn sie „vertraglich vereinbart“ waren. Was mit „vertraglicher Vereinbarung“ gemeint war – darüber konnten die Juristen beider Lager trefflich diskutieren. Die Vermieterseite sah die längeren Kündigungsfristen dann als vertraglich vereinbart an, wenn sie im Mietvertrag stehen. Ob es sich um einen vorgedruckten Standard-Mietvertrag handele, der lediglich auf die gesetzlichen Fristen verweist, oder um einen individuell besprochenen, sei gleichgültig.

Die Mieterseite wollte dagegen auch für Altverträge die neuen Kündigungsfristen beanspruchen. Denn andernfalls würde die Mietrechtsreform von 2001 noch auf Jahre hinaus leer laufen. Das widerspreche dem Willen des Gesetzgebers. Die kürzeren Kündigungsfristen für Mieter seien Gesetz geworden, weil die Arbeitswelt hohe Flexibilität verlange. Auch ältere Mieter, die plötzlich zum Pflegefall würden, könnten nicht Fristen von bis zu einem Jahr hinnehmen.

Fern liegend war diese Ansicht nicht. Auch der Rechtsausschuss im Deutschen Bundestag hat zum Ausdruck gebracht, dass die neuen Kündigungsfristen für Altverträge gelten sollten. Nur wenn es eine ausdrückliche individuelle Frist-Vereinbarung gab, seien diese auch nach der Reform von 2001 gültig. Ein Formularvertrag erfülle diese Voraussetzungen nicht. Der BGH folgte dieser Ansicht jedoch nicht, auch aus einem praktischen Grund: Er befürchtet, vor deutschen Gerichten könnte tausendfach darum gestritten werden, was denn nun bei Altverträgen als „vertraglich vereinbart“ gelte und was nicht.

Mit der Mietrechtsänderung von 2001 gilt für alle neuen Verträge eine Kündigungsfrist des Mieters von drei Monaten. Vor September 2001 galten für Mieter und Vermieter gleichermaßen gestaffelte Kündigungsfristen von drei Monaten bis zu einem Jahr. Nach fünf Jahren verlängert sich die gesetzliche Kündigungsfrist von drei auf sechs Monate, nach acht Jahren beträgt sie neun Monate, nach mehr als zehn Jahren schließlich sogar ein Jahr. Mit der Reform von 2001 wurden die gestaffelten Kündigungsfristen für Vermieter beibehalten, für Mieter betragen sie dagegen generell nur noch drei Monate.

Nach Meinung der Mieter-Lobby ist nun erneut der Gesetzgeber am Zug: „Das Mietrecht muss so geändert werden, dass die neue Frist auch für Altverträge gilt“, sagte der Sprecher des Deutschen Mieterbunds, Ulrich Ropertz, dem Tagesspiegel. Dies ist jedoch zurzeit noch nicht geplant.

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