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Politik: Alte NPD-Akte bleibt zu

Verfassungsgerichtspräsident sperrt Dokumente zu erstem Verbotsverfahren – weil ein neues droht.

Berlin - Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, verweigert angesichts neuer Verfahren um die NPD die Einsicht in Akten aus dem ersten Verbotsverfahren vor rund zehn Jahren. Einem darauf gerichteten Antrag des Tagesspiegels könne „auch nach nochmaliger Prüfung“ und Abwägung des öffentlichen Informationsinteresses nicht entsprochen werden, heißt es jetzt in einem Schreiben Voßkuhles. Das erste NPD-Verbotsverfahren hatten die Richter 2003 eingestellt, weil von den Antragstellern Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat benannte Zeugen als V-Leute für den Verfassungsschutz tätig waren. Für ein erneutes Verbotsverfahren wäre der Zweite Senat zuständig, dessen Vorsitzender Voßkuhle zugleich ist.

Der Gerichtspräsident begründet seine Verweigerung mit dem Antrag der NPD vom November, in Karlsruhe ihre Verfassungskonformität feststellen zu lassen. Hier könne „eine Beziehung der Akten zu den früheren Verbotsanträgen in Betracht kommen“. Bei laufenden Verfahren sei die Akteneinsicht laut Gesetz jedoch nur den unmittelbar Beteiligten vorbehalten. Gleiches gelte angesichts der vom Bundesrat beschlossenen Einleitung eines neuen Verbotsverfahrens. Die Vorschriften zum Aktenzugang könnten im Ergebnis unterlaufen werden, wenn dem Gesuch entsprochen würde.

Laut Bundesverfassungsgerichtsgesetz kann das Gericht Privatpersonen oder auch nicht-öffentlichen Stellen Einsicht gewähren, „soweit sie hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen“. In seinem Antrag vom Oktober vergangenen Jahres hatte der Tagesspiegel die politische und historische Bedeutung des Verfahrens herausgestellt und die Notwendigkeit von Transparenz angesichts eines möglichen neuen Verfahrens betont.

Das öffentliche Interesse an den Akten sieht das Gericht jedoch offenbar nicht als vorrangig an. Bereits Anfang November hatte der Direktor des Gerichts, Peter Weigl, den Antrag des Tagesspiegels auf Aktenzugang abgelehnt. Damals wurde noch darauf verwiesen, die Verwertung verfassungsgerichtlicher Akten im allgemeinen oder wissenschaftlichen Interesse komme laut Geschäftsordnung frühestens 30 Jahre nach der Entscheidung in Betracht. Diese „Sperrfrist“ sei jedoch noch nicht abgelaufen.

Der Tagesspiegel hatte dagegen Widerspruch eingelegt und vorgebracht, das Gericht könne unabhängig von dieser Vorschrift Akteneinsicht gewähren. Voßkuhle sieht seine Ablehnung nunmehr als richterliche Entscheidung in der Sache an, die nach Rücksprache mit dem im Senat für Parteiverbote zuständigen Verfassungsrichter Michael Gerhardt getroffen worden sei.

Bundestag, Innenministerium und Bundesrat hatten der Aktentransparenz ebenfalls widersprochen, dafür aber datenschutzrechtliche Gründe genannt. Unabhängig davon hat das Gericht Voßkuhle zufolge 2005 dem Bundeskriminalamt eine Aktenauskunft erteilt und Beauftragten des Bundesjustizministeriums Zugang gewährt. 2008 durfte eine Doktorandin die Akten studieren. Damals aber sei weder ein Antrag der NPD noch ein erneuter Verbotsantrag zu deren Lasten vorherzusehen gewesen, schreibt der Gerichtspräsident. Jost Müller-Neuhof

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