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Politik: Alte Wunden

Moskau ist empört über die Balten – Putin wirft ihnen Geschichtslügen vor

Bleiben oder gehen? Vor zehn Jahren war die Entscheidung eindeutig: Keiner der baltischen Staaten hatte damals Vertreter zur 50-Jahr-Feier des Kriegsendes nach Moskau entsandt. Zum 60. Jahrestag am 9. Mai dieses Jahres hat Russlands Präsident Wladimir Putin ausdrücklich die Präsidenten Litauens, Lettlands und Estlands eingeladen. Zugesagt hat bisher nur die Lettin Vaira Vike-Freiberga – wohl zur Überraschung ihrer Amtskollegen Valdas Adamkus und Arnold Rüütel, die erst im März eine gemeinsame Position formulieren wollten.

Ihr Motiv für die Teilnahme hat Lettlands Präsidentin klar formuliert: Um „der Welt zu zeigen, was dieses Datum bedeutet“, wolle sie in Moskau mit dem „unerhörten Gedanken“ von der Befreiung des Baltikums durch die Rote Armee aufräumen, sagte sie der „Istwestja“. Von Moskau erwarte sie die Verurteilung sämtlicher Weltkriegsverbrechen – „egal, von welcher Seite sie begangen wurden“.

Moskau reagierte empört. In einer Presseerklärung des Außenministeriums hieß es, Lettlands Präsidentin sei offenbar „nicht zu einem seriösen zwischenstaatlichen Dialog“ bereit. Die Rede von der „Okkupation“ der baltischen Staaten blende historische Tatsachen aus. Nun wird Vike-Freiberga vorgeworfen, sie wolle durch provokative Äußerungen Russland dazu zwingen, die Einladung zu den Feierlichkeiten zurückzuziehen, um sich damit die Peinlichkeit eines eigenen Rückziehers zu ersparen.

Auch Estlands Präsident Arnold Rüütel hatte sich von den Feierlichkeiten offenbar eine Klärung strittiger Fragen versprochen. Nach einem Treffen mit Wladimir Putin in Moskau sagte er dem litauischen Sender „Eesti Radio“, der Kreml-Chef habe ihm die Annullierung des geheimen Zusatzprotokolls zum historischen Molotow-Ribbentrop-Pakt zugesichert, mit dem Hitler und Stalin während des Krieges ihre Einflusssphären in Osteuropa abgesteckt hatten. Ein Sprecher des Kremls korrigierte später, Putin habe lediglich eine „historische Neubewertung“ des Dokuments im Sinne gehabt. Dennoch scheint Putin an einer Teilnahme Rüütels gelegen zu sein: Im Rahmen der Feierlichkeiten ist eine Rückgabe der estnischen Präsidenten-Insignien geplant, die 1940 nach dem Einmarsch russischer Truppen in Tallinn nach Moskau überführt worden waren.

Der dritte baltische Präsident, Valdas Adamkus, hat sich bislang nicht öffentlich zu den Jubiläumsfeierlichkeiten geäußert – obwohl in Litauen derzeit eine massive Kampagne gegen seine Moskau-Reise geführt wird. Diese gründete anfänglich auf inzwischen dementierten Gerüchten, denen zufolge Russland die Errichtung eines Weltkriegsdenkmals plane, das die Teilnehmer der historischen Jalta-Konferenz abbildet – darunter auch Josef Stalin. Eine litauische Tageszeitung veröffentlichte daraufhin eine Karikatur von Wladimir Putin mit einem Trinkbecher in Form einer Stalin-Büste und forderte Adamkus auf, sich von den Feierlichkeiten zu distanzieren.

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