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Politik: "Am Ende stehen die Bauern am Pranger"

Gerd Sonnleitner (53) ist Präsident des deutschen Bauernverbandes. Auf seinem Hof in Bayern gibt es 700 Mastplätze für Schweine.

Gerd Sonnleitner (53) ist Präsident des deutschen Bauernverbandes. Auf seinem Hof in Bayern gibt es 700 Mastplätze für Schweine.

Herr Sonnleitner, Sie sind Präsident von gleich drei Bauernverbänden: dem bayerischen, dem deutschen und der europäischen Bauernvereinigung Copa. Wann bekommen Sie eigentlich die Schweine auf Ihrem Hof in Niederbayern noch zu sehen?

Wenn ich ehrlich bin, sehe ich die Schweine nur noch durchs Fenster, wenn ich am Wochenende nach Hause komme.

Wer führt den Hof, wenn Sie nicht da sind?

Meine Frau. Sie ist die Betriebsleiterin. Sie kümmert sich um alles und macht das auch sehr gut. Und wenn ich damit nicht zufrieden wäre, müsste ich eben wieder nach Hause kommen.

Der Bauernverband ist als starke Lobby ja eine der Konstanten in der Geschichte der Bundesrepublik, ...

Das haben Sie richtig erkannt.

der Bauernverband kann mobilisieren. Aber ist nicht der Strukturwandel, der dazu führt, dass immer mehr Landwirte ihre Höfe aufgeben, auch bedrohlich für den Verband? Die Zahl Ihrer Mitglieder nimmt stetig ab.

Sicher gibt es große Veränderungen. Aber man kann die Stärke des Bauernverbands nicht an der Zahl seiner Mitglieder festmachen.

Dies schwächt aber Ihre Lobbyarbeit. Schon bei der Bundestagswahl 1998 sind die Bauern als eine gesellschaftliche Gruppe von vielen wahrgenommen worden, deren Zahl noch dazu kleiner wird.

Alle Parteien wissen, dass die Bauernfamilien stark im ländlichen Raum mit den vor- und nachgelagerten Gewerben verbunden sind. Bauernfamilien haben mehr Kinder. Da ist ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie sind immer noch eine große, eine starke und homogene Wählergruppe.

Trotzdem hat man den Eindruck, dass bei den Bauern der Fortschritt neue Probleme schafft. Ist die zunehmende Professionalisierung auf den Höfen wirklich ein Segen?

Wir haben in der Landwirtschaft verglichen mit anderen Wirtschaftszweigen seit der Nachkriegszeit stetig die höchste Produktivitätssteigerung. Das bedeutet aber auch, dass Arbeitsplätze auf dem Land weggefallen sind. Wir versuchen, über neue Einkommensquellen - nachwachsende Rohstoffe, Urlaub auf dem Bauernhof - neue Arbeitsplätze zu schaffen und so Arbeitskräfte in der Landwirtschaft zu halten. Die Steigerung der Produktivität ist für sich genommen etwas Gutes, auch in der Landwirtschaft. Wenn ich daran denke, unter welchen Bedingungen die Elterngeneration noch gearbeitet hat! Meine Vorfahren, aber auch die Knechte und Mägde würden davon träumen, wie wir heute wirtschaften. Da hat sich unheimlich viel verbessert.

Aber Sie müssen ihre höhere Produktivität doch auch vermarkten. Die Leute essen ja nicht mehr, nur weil die Bauern mit geringerem Aufwand mehr produzieren können.

Die Produktivität bezieht sich nicht nur auf die Erträge, die gar nicht mehr so gewaltig steigen, sondern auch auf die Arbeitserleichterung, Qualitäts- und Umweltverbesserungen. Pro Hektar steigt der Ertrag fast nicht mehr.

Es sei denn, es gibt einen neuen technologischen Sprung mit gentechnischen Verfahren. Die Konzerne, die der Grünen Gentechnik den Weg auf die Äcker ebnen wollen, versprechen ja dramatisch höhere Erträge. Warum unterstützt der Bauernverband diese Entwicklung?

Das stimmt so nicht. Alle Versuche in der Gentechnologie, also alles, was bisher auf dem Markt ist, hat keine Ertragssteigerungen gebracht. Diese sind einfacher und sicherer über die traditionelle Zucht zu erreichen. Die neuen Sorten bringen Erleichterungen im Pflanzenschutz und bei der Pflanzengesundheit. Wir können die Grüne Gentechnik derzeit auf dem Acker gar nicht einsetzen. Wir wünschen uns aber, dass auch in der Grünen Gentechnik weiter geforscht wird. Dabei soll das Ziel sein, umweltfreundlicher zu produzieren oder die Gesundheit von Tieren oder Menschen durch die Pflanzen zu verbessern. Der entscheidende Punkt ist jedoch: Bei der Markteinführung entscheidet der Verbraucher. Und wenn er das nicht will, setzen wir Gentechnologie nicht ein.

Warum wollen Sie dann beim neuen Siegel Qualität und Sicherheit (QS), das für eine sichere Fleischerzeugung vergeben werden soll, nicht auf den Einsatz gentechnisch veränderter Futterpflanzen verzichten? Dafür setzt sich die grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast ein, die dieses Siegel für konventionell erzeugtes Fleisch angeregt hatte.

Es geht nicht darum, diese Futtermittel beim QS auf den Index zu setzen. Notwendig ist zuerst einen politische Entscheidung zur Kennzeichnungspflicht und darüber, welche Schwellenwerte wir haben. Schon heute sind ja Spuren gentechnisch veränderter Pflanzen durch Auskreuzen oder Vermischungen fast überall zu finden. Selbst bei Erzeugern, die sie nicht einsetzen. Deshalb brauchen wir einen Schwellenwert im Saatgut von beispielsweise einem Prozent. Das und die Kennzeichnung muss der Gesetzgeber regeln. Und dann müssen wir diesen Punkt für das QS-System entscheiden. Wenn das Parlament das tut, werden wir uns dran halten. Grundsätzlich wollen wir nicht durch die Hintertür die Grüne Gentechnologie einführen.

Aber schwächt das nicht das neue Qualitätszeichen?

Wir können uns nicht im QS auf etwas festlegen, was gesetzlich noch gar nicht geregelt ist. Am Ende stehen immer die Bauern am Pranger.

Wie schätzt der Bauernverband die Wünsche der Verbraucher ein?

Die Verbraucher wollen zu Recht mehr Kontrolle und mehr Sicherheit. Das war für uns der Grund, das QS-Zeichen zu entwickeln. Schwieriger ist die Frage: Was ist Qualität? Bei Umfragen sagen fast alle Verbraucher, dass sie für höhere Qualität oder beispielsweise ökologische Erzeugung mehr bezahlen. Wenn sie dann im Laden stehen, tun sie das nicht. Das ist für die Entwicklung der Landwirtschaft eine große Schwierigkeit.

Herr Sonnleitner[Sie sind Präsident von glei]

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