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Politik: Am falschen Ort

Von Frank Jansen

Man hätte es wissen können und deutlich sagen müssen. Dass deutsche Beamte im September 2002 in Guantanamo Terrorverdächtige befragt haben, ist nicht so überraschend, wie es jetzt dargestellt wird. Vor zwei Jahren gab es bereits Berichte über die Vernehmung von zwei Gefangenen. Doch der Aufschrei blieb aus, ähnlich wie nach ersten Meldungen 2003 über BKA-Beamte, die in Syrien einen deutschen Terrorverdächtigen vernommen haben, der zuvor gefoltert worden war. Wichtige Akteure im Rechtsstaat haben versagt, das gilt auch für Journalisten. So konnte die Politik weitgehend ignorieren, was aufgedeckt war und dringend weiterer Aufklärung bedurfte. Engagierte Verteidigung von Menschenrechten sieht anders aus.

Es mag an der Verunsicherung gelegen haben, die unter dem Eindruck der vielen Anschläge vom 11. September 2001 an herrschte: Wie ist der Terror effektiv zu bekämpfen? Reichen die bisherigen Methoden des Rechtsstaates aus? Letztgültige Antworten gibt es bis heute nicht. Aber nun ist zu befürchten, dass die Vorgänge, die jetzt Aufsehen erregen, Deutschland Schaden zugefügt haben.

Mindestens das. „Guantanamo“ ist in der muslimischen Welt eine Reizvokabel, die gewaltige Emotionen hervorruft. Das Hochsicherheitscamp gilt, wie das Foltergefängnis Abu Ghraib im Irak, als Symbol für die Verletzung der Menschenrechte gefangener Muslime durch die USA. Und Deutschland steht nun als Komplize da, der von der brutalen Willkür der Amerikaner profitiert und auch noch lügt. Erst recht, nachdem noch 2004 der damalige Bundesinnenminister Otto Schily Guantanamo als „sehr problematisch“ bezeichnet und gefordert hat, die Gefangenen müssten einen Rechtsstatus erhalten. So rutscht nun auch Deutschland in die Glaubwürdigkeitslücke, in die die USA seit der Einrichtung Guantanamos als Lager für entrechtete „feindliche Kämpfer“ geraten sind.

Der Kampf gegen den Terror lässt sich aber nur gewinnen, wenn die westlichen Demokratien den Rechtsstaat als einzig legitimen Gegenentwurf zu Islamismus und korrupten Diktaturen vorweisen können. Jeder Rückschlag verhilft Al Qaida und anderen Fanatikern zu weiteren Sympathien bei Muslimen. Die skrupellos wirkende Anti-Terror-Strategie der Regierung von US-Präsident Bush bewegt sich in diese falsche Richtung. War der Einmarsch in Afghanistan nach den Anschlägen des 11. September 2001 eine legitime Vorwärtsverteidigung gegen ein Refugium von Terroristen, haben die USA danach mit brachialen Auftritten den militanten Islamismus eher noch befördert.

Guantanamo ist nur einer der schweren Fehler, die Propagandisten des Terrors ausschlachten. Der mit erfundenen Argumenten begründete Irakkrieg und der Folterskandal von Abu Ghraib haben Al Qaida und verbündeten Gruppen enormen Auftrieb verschafft. Auch von der CIA betriebene geheime Gefängnisse sowie Entführungen sind rechtsstaatlich nicht zu legitimieren. Und es ist fraglich, ob mit solchen Praktiken mehr Anschläge verhindert worden sind, als bei konsequenter Anwendung legaler Methoden zu erwarten gewesen wären. Die USA wissen nicht einmal, was sie auf Dauer mit ihren Gefangenen anstellen sollen. Bis ans Lebensende unter Verschluss halten, gegen jede Rechtsnorm?

In derart trüben Szenarien darf die Bundesrepublik nicht mitmischen. Dass sie von Informationen der Amerikaner über die Terrorszene profitiert, ist unumgänglich. Deutsche Verhöre in Guantanamo und Syrien sind es nicht.

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