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Am Hindukusch: Afghanistan: Land ohne Regierung

Afghanistans Präsident Karsai erleidet auch mit der zweiten Kabinettsliste eine Schlappe im Parlament – zogen die USA die Fäden?

Nach einer neuen Schlappe im Parlament geht Afghanistans Präsident Hamid Karsai geschwächt in die Afghanistan-Konferenz Ende Januar in London. Das Kabinett ließ nun auch seine zweite Kabinettsliste weitgehend durchfallen. Die Abgeordneten lehnten zehn der 17 Kandidaten ab, sie bestätigten aber immerhin die Minister für die Schlüsselressorts Äußeres, Justiz und Drogen. Damit steht das kriegsgeschüttelte Land weiter ohne komplette Regierung da. Bisher sind nur 14 von 24 Ministerposten besetzt.

In UN-Kreisen und in Indien kursieren Gerüchte, dass die USA hinter den Kulissen bei der Parlamentsentscheidung die Fäden zogen, um Karsai politisch zu schwächen. Unerwartet war Karsai vor zwei Wochen mit seiner ersten Kabinettsliste gescheitert, obwohl diese in UN-Kreisen als annehmbarer Kompromiss eingestuft worden war. Die Abgeordneten ließen damals 17 der 24 Kandidaten durchfallen.

Die USA bereiteten weiter den Boden für einen Machtwechsel in Kabul und führten ihren Feldzug gegen Karsai fort, schrieb die angesehene indische Zeitung „The Hindu“. Washington habe entdeckt, dass es nicht viel brauche, um die unerfahrenen afghanischen Parlamentarier zu überzeugen, viele von Karsais Kandidaten abzulehnen – und so Karsai als schwachen Führer darzustellen.

Auch der scheidende UN-Sondergesandte Kai Eide hatte sich „überrascht“ und wenig erfreut gezeigt, dass das Parlament wiederum so viele Kandidaten ablehnte. Es war nicht das erste Mal, dass Eide indirekt die Ränkespiele der USA am Hindukusch kritisierte. Bereits bei den Präsidentenwahlen im vergangenen Jahr hatten die USA kaum verhohlen versucht, Karsai zu demontieren und ihn wegen Wahlbetrugs angeprangert.

An der Spitze der Anti-Karsai-Kampagne stand der US-Amerikaner und Eide-Vize Peter Galbraith, der vom US-Sonderbeauftragten für die Krisenregion, Richard Holbrooke, auf den Posten gehievt wurde. Im Laufe der Wahlen kam es zum offenen Krach zwischen Galbraith und Eide. Der US-Plan, Karsai zu schassen, sei „verfassungswidrig und stelle Einmischung der schlimmsten Sorte dar“, hatte Eide erklärt. Galbraith startete daraufhin in den Medien eine regelrechte Rufmord-Kampagne gegen Eide. Ein europäischer Diplomat, der nicht namentlich zitiert werden möchte, nannte das Gebaren von Holbrooke und Galbraith „zum Kotzen“: Der Widerstand gegen Galbraith kostete Eide offenbar sein Amt: Auf Druck der USA habe er keine zweite Amtszeit als UN-Sondergesandter antreten dürfen, erklärte Galbraith. Der Posten soll nun einem Wunschkandidaten der USA zufallen.

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