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Politik: Amerika ist tief gespalten

Washington - Am fünften Jahrestag des Angriffs auf den Irak ringen die USA um ihr Urteil über den Krieg. Protestaktionen organisierter Gegner und Rechtfertigungsreden wie die von Präsident George W.

Washington - Am fünften Jahrestag des Angriffs auf den Irak ringen die USA um ihr Urteil über den Krieg. Protestaktionen organisierter Gegner und Rechtfertigungsreden wie die von Präsident George W. Bush halten sich die Waage. Die Zeitungen lassen beide Lager auf Sonderseiten breit zu Wort kommen. 58 Prozent der Bürger nennen den Krieg einen Fehler. 60 Prozent wünschen einen Zeitplan für den Abzug, aber ebenfalls 60 Prozent sind gegen einen raschen Rückzug, falls der den Erfolg gefährde. Die Kriegsgegner spalten sich nämlich in mehrere Fraktionen auf. Sie sind teils für einen schnellen, teils für einen langsamen Rückzug. Auch im Grad des Pessimismus bei Einschätzung der Lage unterscheiden sie sich stark. Deshalb sind diejenigen, die den Krieg für richtig halten und an einen Sieg der USA im Irak glauben, die mit Abstand stärkste geschlossene Gruppe. Ihre Zahl ist in den jüngsten Monaten auf 40 Prozent gewachsen.

Der republikanische Präsidentschaftsbewerber John McCain besucht derzeit Truppen in Bagdad. Eine Mehrheit traut es dem Vietnamveteranen und Senator mit mehr als 20 Jahren außenpolitischer Erfahrung zu, die richtigen Entscheidungen für die US-Politik im Irak zu treffen. Der Ruf litt gestern freilich etwas, nachdem McCain in einer Diskussion Sunniten und Schiiten verwechselt hatte. Hillary Clinton beging den Jahrestag mit Irakveteranen in Pennsylvania, wo am 22. April die nächsten Vorwahlen abgehalten werden. Barack Obama erinnerte daran, dass er als einziger der Kandidaten von Anfang an gegen den Krieg war.

Seit dem Wochenende zeigen Kriegsgegner verstärkte Präsenz in Washington, darunter viele Soldaten mit Irakerfahrung. Die Bewegung „Iraq Veterans Against the War“ (IVAW) hielt in Anlehnung an eine gleichnamige Protestaktion gegen den Vietnamkrieg vor über 30 Jahren die Anhörung „Winter Soldier“ ab. Soldaten berichteten über Verbrechen ihrer Einheiten an Zivilisten, den Kriegsalltag und die psychischen Belastungen für die Veteranen und ihre Familien.

Der Streitkräfteausschuss des Abgeordnetenhauses befragte Experten aus den Reihen des Militärs wie von zivilen Universitäten nach dem Ausmaß möglicher Folgekosten. Die Erfahrung mit dem Vietnamkrieg hatte gezeigt, dass die höchsten Summen erst Jahre oder gar Jahrzehnte nach dem Einsatz anfallen, wenn die Spätfolgen von Verletzungen oder psychischen Schäden sichtbar werden. Nach Erkenntnissen der Wissenschaftler klagen 20 Prozent der Berufssoldaten und 40 Prozent der Reservisten oder Nationalgardisten, die nur vorübergehend eingezogen werden, nach dem Einsatz im Irak über psychische Störungen und benötigen therapeutische Hilfe. Christoph von Marschall

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