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Politik: Amerika zum Trotz

Kampf um Irans Präsidentschaft entscheidet sich zwischen Rafsandschani und einem extremen Hardliner

Irans scheidender Präsident Mohammed Chatami hatte eine Überraschung bei der Wahl seines Nachfolgers vorhergesagt. Damit hatte er wohl darauf angespielt, dass der wochenlang als Favorit gehandelte Ex-Präsident Akbar Rafsandschani kein so leichtes Spiel haben würde und dass der zunächst vom Wächterrat ausgeschlossene Reformkandidat Mustafa Moin ihm den Rang ablaufen könnte. Doch die Überraschung sah am Samstag anders aus. Nach Auszählung fast aller Stimmen war es nicht ein Reformer, sondern ein extremer Hardliner, der Bürgermeister von Teheran, Mahmud Ahmadinedschad, der in eine Stichwahl mit Rafsandschani am kommenden Freitag gehen wird.

Erstmals in der Geschichte der islamischen Republik gelang es keinem Kandidaten, mindestens 50 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang auf sich zu vereinen. Ahmadinedschad, Ex-Mitglied der ideologischen Revolutionären Garden, kam nach dem vorläufigen Endergebnisauf 19,48 Prozent der Stimmen, eineinhalb Prozent weniger als der Multimillionär Rafsandschani. Moin dagegen erreichte demnach nur den fünften Platz mit 13,8 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Innenministeriums bei 62 Prozent gegenüber 66,6 Prozent vor vier Jahren. Die Öffnung der Wahllokale war viermal verlängert worden, um allen Wartenden die Stimmabgabe zu ermöglichen. Boykottaufrufe von Reformgruppen und Dissidenten, darunter Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, wurden wenig befolgt.

Noch bevor endgültig feststeht, wer der neue Präsident wird, kann das Regime unter Religionsführer Chamenei sich bereits als Sieger fühlen. Eine hohe Wahlbeteiligung wird als Legitimierung der islamischen Republik angesehen. Zumal US-Präsident George Bush vor der Wahl gesagt hatte, Iran fehlten die „Grundlagen einer Demokratie“. Dies hat offenbar viele Iraner erst recht an die Wahlurnen getrieben. Um zu beweisen, dass sie keine amerikanischen Lektionen brauchen. Religionsführer Chamenei wartete den Wahlausgang gar nicht erst ab, um im staatlichen Fernsehen verkünden zu lassen, man habe die „Lügen“ Bushs widerlegt.

Das gute Abschneiden Rafsandschanis ist keine Überraschung. Dem erfolgreichen Geschäftsmann wird zugetraut, die Wirtschaft voranzubringen. Auch glauben viele Iraner, dass er das Verhältnis zum Westen und den USA verbessern kann, indem in der Nuklearfrage eine Einigung erzielt wird. Rafsandschani, der im Nationalen Sicherheitsrat sitzt und Vorsitzender eines mächtigen Vermittlungsgremiums zwischen Parlament und Wächterrat ist, hat zusammen mit Religionsführer Chamenei das Dossier der Atomverhandlungen in die Hand genommen. Eine Überraschung dagegen war das gute Abschneiden des früheren Parlamentssprechers Mehdi Karubi. Analysten führen das auf sein Versprechen zurück, jedem Iraner monatlich etwa 45 Euro zukommen zu lassen. Dass vermutlich der extrem konservative Bürgermeister von Teheran, der seit seinem Amtsantritt 2003 versucht, kulturelle und gesellschaftliche Freiheiten zurückzudrehen, an zweiter Stelle liegt, ist der Coup dieser Wahl. Ahmadinedschad gilt als enger Vertrauter von Chamenei und Hoffnungsträger für die jüngere Generation von Konservativen. Bei ihnen hat er sich Anerkennung verdient durch Bescheidenheit und harte Arbeit. Sein gutes Abschneiden würde einen Trend bestätigen, der seit einiger Zeit spürbar ist. Die Jugend hat die ideologische Auseinandersetzungen der vergangenen acht Jahre erschöpft. Sie glaubt nicht mehr, dass man durch Konfrontation das System verändern kann, sondern geht davon aus, dass der Hardliner-Flügel des Regimes nur langsam von innen heraus verändert werden kann. Dafür wäre vielleicht Ahmadinedschad der Richtige. Angesichts der Überraschungen des ersten Wahlganges ist jedenfalls Vorsicht geboten bei Voraussagen über den Ausgang des zweiten.

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