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Politik: Amerikas Europäer

Blair will Bush von einer zweiten UN-Resolution überzeugen – um seine Partei und die Briten hinter sich zu bringen

Tony Blair und George W. Bush werden heute in Camp David nicht Kriegsrat halten, sondern wohl die letzte diplomatische Offensive vor dem Krieg planen. Für Großbritanniens Regierungschef, der mit seiner pro-amerikanischen Haltung in den letzten Monaten ein hohes politisches Risiko einging, steht viel auf dem Spiel. Will er nicht als Schoßhündchen von Amerikas Präsident Bush erscheinen, muss er etwas nach London zurückbringen. Einen taktischen Erfolg kann er schon vorher für sich verbuchen: Den Aufruf der acht europäischen Regierungschefs „pro Amerika“.

Was kann da noch auf dem Gesprächsplan der beiden stehen? Verhandelt wird darüber, wie viel Zeit man im Countdown zum Krieg für Blairs diplomatisches Wunschziel einräumt – eine zweite UN-Resolution. Ihr Druck, glaubt man in London, könnte den irakischen Staatschef Saddam Hussein vielleicht sogar noch stürzen. Bis zum 14. Februar, wenn UN-Chefinspekteur Hans Blix dem Sicherheitsrat auf deutschen Wunsch einen weiteren Zwischenbericht vorlegt, wird man auf jeden Fall warten. Blair und Spaniens Regierungschef Jose Maria Aznar, die beiden Urheber des Appells der acht europäischen Regierungschefs, sprachen denn auch nach einem Treffen am Donnerstagabend in Madrid von einer „letzten Chance“ für Bagdad. Dazu müsse aber das irakische Regime von Saddam Hussein in vollem Umfang mit den UN-Waffeninspekteuren zusammenarbeiten, erklärten die beiden Regierungschefs.

Je mehr Zeit Blair über die Frist bis zum 14. Februar hinaus herausschlägt, desto besser: Für den Versuch, im Tandem mit US-Außenminister Colin Powell den Sicherheitsrat von der Richtigkeit des amerikanisch-britischen Kurses zu überzeugen. Offenkundig ist ihm das zumindest ansatzweise mit dem Aufruf der acht gelungen. Es geht Blair aber vor allem um seine Chancen, bei sich zu Hause ein skeptisches Volk und eine widerspenstige Partei doch noch hinter sich zu bringen.

Blair hat einen Alleingang ohne Mandat der UN nie ausgeschlossen, um die Wirksamkeit der militärischen und diplomatischen Drohungen nicht zu gefährden. Aber die zweite Resolution war immer sein erklärtes diplomatisches Ziel. Das Präsidium der Labour-Partei schrieb ihm das am vergangenen Dienstag noch einmal ins Stammbuch.

Seit Tagen ist Blair schon in der diplomatischen Offensive, und das wird sich nach dem Camp-David-Besuch noch verstärken. Er sprach sogar mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac, seinem europäischen Gegenspieler. In der nächsten Woche werden die beiden zu einem heiklen, lange aufgeschobenen Gipfel im Seebad Le Touquet zusammentreffen. Auch den iranischen Außenminister Kamal Kharrazi wird Blair in der Downing Street 10 empfangen.

Koalition der Willigen

Die Frage bei allem ist: Hat Blair überhaupt politischen Spielraum? Sicher ist, dass Bush den Briten braucht. Die Amerikaner wollen keinen einsamen Krieg, und für die „Koalition der Willigen“, auf die man zurückgreifen muss, wenn die Vereinten Nationen nicht mitmachen, ist Blair der entscheidende Mann.

Doch könnte Blair nach all den Treueerklärungen an die USA, nachdem britische Truppen in großer Zahl in Marsch gesetzt sind, überhaupt noch zurück? Britische Politiker fragen, unter welchen Bedingungen Großbritannien sich einem amerikanischen Alleingang verweigern – und damit das Ende der „besonderen Beziehungen“ ausrufen würde. Die Antwort darauf behielt sich Blair für das Pokerspiel in Camp David vor.

Matthias Thibaut

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