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Amerikas Klimapolitik: Die Kraft der zwei Gipfel

Amerika tut zu wenig für den Klimaschutz. Morgen könnte es jedoch umgekehrt sein: Die USA entdecken auf dem von Präsident Bush einberufenen Klimagipfel das Geschäft mit dem Klimaschutz und nehmen Europa die Marktführerschaft.

Vorhang auf für den wahren Klimagipfel dieser Woche, den von George W. Bush in Washington. Von der Konferenz heute und morgen hängt ab, ob es bis 2009 verbindliche Regelungen zur Reduktion der Treibhausgase geben wird, nicht vom UN-Gipfel am Montag. New York zu Wochenbeginn, das war die Welt, wie wir sie wünschen: Unter dem Dach der UN versprechen 192 vereinte Nationen, das Klima bei der Folgekonferenz in Bali zu retten. Deshalb hat die Kanzlerin dort gesprochen – um diesen Anspruch zu dokumentieren. Aber auch sie weiß, dass schöne Reden bei den UN oft folgenlos bleiben.

Wenn einer wie Bush sein eigenes Treffen einberuft, weckt das den Verdacht, er wolle den UN-Ansatz torpedieren. Sollte man ihn nicht besser boykottieren, wie Greenpeace fordert? Der Gipfel in Washington zeigt die Welt jedoch, wie sie ist. 17 Industrie- und Schwellenländer kommen zusammen. Sie produzieren rund 90 Prozent der klimaschädlichen Emissionen. Nur wenn sie sich auf verbindliche Reduzierungsziele einigen, hilft das dem Klima. Das wird nicht sofort geschehen, die zwei Tage sind nur der Auftakt. Doch bei den Folgetreffen in diesem kleineren Kreis sind die Chancen ungleich größer als bei der UN-Megakonferenz in Bali. Im besten Fall ergänzen sich beide Prozesse. Washington bereitet die Einigung der 17 größten Verschmutzer vor, in Bali lassen die UN die Welt unterschreiben. Zwei Gipfel sind derzeit besser als einer. Washington ist kein Gegenprogramm, die UN sitzen mit am Tisch. Es ist das Mittel, die USA in den UN-Prozess einzubinden und so Druck auf Länder wie China, Indien, Brasilien auszuüben, ihren Teil beizutragen. Bisher haben sie die Ausrede, sie seien erst gefordert, wenn Amerika sich bewegt.

Die USA bewegen sich, schneller und dynamischer, als die übrige Welt wahrnimmt. In Europa sei gar nicht bekannt, was sich da alles tue, sagt ein beeindruckter Umweltminister Sigmar Gabriel nach zwei Tagen im Kongress. Amerikas Klimapolitik lässt sich nicht mehr auf Bush reduzieren, der vor 2006 von einer menschengemachten Klimakatastrophe nichts hören wollte. Er wird getrieben von der US-Industrie und der demokratischen Kongressmehrheit. Die Wirtschaft versteht, dass Auflagen kommen werden. Sie will Klarheit und möchte verdienen am Geschäft mit der Zukunftstechnik zur Senkung der Treibhausgase und dem Emissionshandel.

Vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm war Sigmar Gabriel der Kronzeuge der Bush-Gegner: Besser gar kein Abkommen als eines nach dessen Vorstellungen. Das war nie die ganze Wahrheit, auch er sah den Sinn der Kooperation. Doch das ging unter, diese Rolle war bereits besetzt mit Außenminister Steinmeier und Kanzlerin Merkel. Bei Bushs Konferenz vertritt Gabriel jetzt Deutschland. Der Ton ist neu. Er will Amerikas Dynamik für den Klimaschutz nutzen. Er verkennt nicht, dass die USA der mit Abstand größte Schadstoffemittent pro Kopf sind. Er weiß aber auch, dass China Amerika gerade als größtes Verschmutzerland überholt. Ein Abkommen, das die USA bindet, nicht aber die Schwellenländer, würde dem Klima wenig nutzen. Es wäre auch gar nicht durchsetzbar, weil die US-Demokraten eine solche Wettbewerbsverzerrung blockieren. Amerika tut zu wenig für den Klimaschutz, das ist das Problem bisher. Morgen könnte es umgekehrt sein: Die USA entdecken das Geschäft mit dem Klimaschutz und nehmen Europa die Marktführerschaft. Findet Gabriel auch damit in Deutschland Gehör?

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

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