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Sicherheitskräfte stehen am Mittwoch vor der International School in Leipzig. Wegen eines Notrufs ist ein Spezialeinsatzkommando der Polizei zu einer Leipziger Schule ausgerückt.

© dpa

Amokläufe: Gegen die Angst - Schulen schützen sich

Am Mittwoch gab es in Leipzig einen falschen Alarm an einem Gymnasium. Nach den Amokläufen von Winnenden und Erfurt sind die Behörden aufmerksam geworden. Doch was genau wurde zum Schutz der Schulen getan?

Für ein paar Stunden waren am frühen Mittwochabend die schrecklichen Bilder wieder ganz nah. Die Amokläufe in Erfurt und Winnenden haben tiefe Wunden hinterlassen und die Angst, es könnte wieder geschehen, ist im Unterbewusstsein immer da. Als in einem Leipziger Gymnasium um 15.40 Uhr der Alarm ausgelöst wird, ist wieder die Panik da, einer sei durchgedreht. Etwa 200 Schüler sitzen in ihren Klassenräumen fest, die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort, Rettungskräfte warten vor dem Gebäude, Eltern sorgen sich. Am Ende geht alles gut – ein Fehlalarm. Nun wird ermittelt, um die Hintergründe aufzuklären. „Wer den Alarm ausgelöst hat und warum können wir noch nicht sagen“, sagt eine Leipziger Polizeisprecherin dem Tagesspiegel.

Bundesweit versuchen Schulen sich so gut es geht gegen Amokläufe zu wappnen. Von „technischem Alarm“ ist die Rede, von „automatischen Schließsystemen“: Aufwendige Technik vermittelt den Schulen immerhin ein Gefühl der Sicherheit, wenngleich allen klar ist, dass ein vollständiger Schutz nicht geboten werden kann.

„An unserer Schule gibt es einen Amokwarnknopf“, sagt Ralf Heitmann, der die Bettina-Von-Arnim-Schule in Reinickendorf leitet. „Im Ernstfall sendet dieser einen Warnton, den die Lehrer kennen und wissen, welche Gefahr droht.“ Danach können die Schüler in Sicherheit gebracht werden. Das Signal unterschiedet sich deutlich von Feueralarm, denn schließlich sollen die Menschen nicht raus ins Freie, sondern rein in die Klassenzimmer und Türen verbarrikadieren.

In Berlin sind inzwischen die Schulen flächendeckend mit einem solchen Warnsystem ausgestattet. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Bildung haben 85 Prozent der Schulen nach einem berlinweiten Standard Lautsprecheranlagen. Im Fall eines Amoklaufs kann vom Sekretariat mit einem verschlüsselten Satz oder einem Klingelzeichen das Kollegium gewarnt werden. In einigen Einrichtungen gibt es zudem Klassenzimmertüren, die sich von außen ohne Schlüssel nicht öffnen lassen. Einen Knopf, der automatisch Alarm bei der zuständigen Polizeistelle auslöst, gibt es aber nirgends. In Panik kann ein telefonischer Hilferuf jedoch Minuten dauern und unverständlich sein.

Das Land Thüringen machte im Jahr 2002 die bittere Erfahrung, wie ausgeliefert Schüler und Lehrer sein können, wenn es zu einem Amoklauf kommt. Ein ehemaliger Schüler erschoss in Erfurt insgesamt 17 Menschen. „Wir investieren vor allem in Prävention. Seines Problems entledigt man sich nicht durch schiere Technik“, sagt Gerd Schwinger vom Thüringer Kultusministerium. Statt auf Alarmnotknöpfe setzt der Freistaat auf Krisenprävention. Jede kleine Schlägerei muss tagesaktuell dem Ministerium mitgeteilt werden. So könne dieses sich ein Bild über die landesweite Lage machen. „Das hat ein ganz anderes Klima geschaffen.“ Aber was tun, wenn doch mal einer durchdreht? In jedem Schulsekretariat steht ein Ordner, in dem die Lehrkräfte und die Leitung im Fall des Falles nachschlagen können, welches Verhalten angebracht ist, wo sie Hilfe holen können und wie eine Evakuierung oder Verschanzung ablaufen soll. Auch in Berlin ist ein solcher Ordner Plicht. Es bleibt die Frage, wer bei einem Amoklauf Zeit hat, Seiten zu wälzen und Nummern abzutippen.

Wie viel Sicherheit bieten Ordner und Warnton am Ende? „So viel, wie man eben bekommen kann“, seufzt Rektor Heitmann. Absolute Sicherheit gibt es nicht.Marie-Luise Klose

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