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Bundestag - Schäuble

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Analyse: Haushalt 2010: Der letzte seiner Art

Der Finanzminister nennt ihn eine "Gratwanderung", in der Koalition wird von einem "Gesamtkunstwerk" gesprochen und die Sozialdemokraten attestieren ihm, er sei Ausdruck einer "finanzpolitischen Geisterfahrt". Eine politische Analyse des neuen Bundeshaushalts.

Von Antje Sirleschtov

Kommenden Freitag wird der Bundestag – aller Voraussicht nach – mit den Stimmen von Union und FDP den Bundeshaushalt 2010 verabschieden. Und nach allem, was man über den ersten Etat der schwarz-gelben Bundesregierung sagen kann, wird dieser Haushalt des Bundes aus allen seinen 60 Vorgängern einzigartig herausragen – und er wird gleichzeitig der letzte seiner Art sein.

Denn schon in wenigen Wochen wird Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Entwurf des nächsten Etats, den für 2011, vorlegen. Ein Etat, an dessen Entstehung und Aussehen man deutlich wird sehen können, welche Folgen die haushaltspolitische Kehrtwende haben wird, die die große Koalition mit der „Schuldenbremse“ im Grundgesetz verankert hat.

In dieser Woche läuft allerdings noch alles in eingefahrenen Gleisen. Beinahe jedenfalls, wie man gleich sehen wird. Mit 80,2 Milliarden Euro nimmt die schwarz-gelbe Koalition so viele neue Kredite auf wie nie zuvor. Dass sie dennoch selbst das Gefühl hat, keine wirkliche Ausgabe-Politik betreiben zu können, hat einen einfachen Grund: Die Milliardenkredite stopfen „automatisch“ alle Einnahmen- und Ausgabenlöcher, die in Folge der Wirtschaftskrise entstehen; auf der Einnahmeseite wegen wegbleibender Steuereinnahmen, auf der Ausgabenseite wegen höherer Ausgaben für Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Rente. Dennoch loben Unions- und FDP-Politiker diese Mehrausgaben jetzt als Zeichen ihrer Politikfähigkeit und Sozialdemokraten wie Grüne schimpfen, es werde (bis auf den Bereich der Arbeitslosenvermittlung) zu wenig gespart. Paradox angesichts der politischen Grundüberzeugungen, die ja eigentlich umgekehrt liegen: Union und FDP auf der Ausgabenbremse, SPD eher nicht.

Dass der Finanzminister gleich zu Beginn der „Haushaltswoche“, in der alle Minister noch einmal ihre Etats vertreten und die Abgeordneten später darüber debattieren, ein allmähliches Umsteuern der Regierung auf einen Sparkurs angekündigt hat, verweist auf die Zeitenwende in der deutschen Haushaltspolitik, die schon bald beginnen wird. Denn ab dem kommenden Jahr muss die regierende Koalition damit beginnen, jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro weniger Schulden zu machen, in Summe mehr als 60 Milliarden Euro. Kein Pappenstiel bei einem Gesamtvolumen des Etats von 300 Milliarden Euro.

Politisch bedeutet das: Es gibt für die Regierenden nichts mehr zu verteilen, nie wieder. Stattdessen wird es zur ersten Regierungspflicht, auf gute Konjunkturwerte zu hoffen. Denn ohne steigende Einnahmen müssen Ausgaben gekürzt werden. Außerdem müssen die Sozialsysteme so strukturiert werden, dass künftig nicht in jedem Konjunkturtal die Sozialausgaben so nach oben schnellen, dass Jobs zusätzlich gefährdet sind. Andererseits darf der Steuerzuschuss des Bundes in diesen Fällen auch nicht dazu führen, dass der Staat in einer Krise den sinkenden Einnahmen hinterherspart und damit die Krise noch verschärft.

Wie heftig die politischen Auseinandersetzungen werden, davon konnte man bereits in den ersten Monaten der neuen Regierung einen Vorgeschmack bekommen. Schließlich ist es kaum vorstellbar, dass umfangreiche Steuersenkungen und ein Ausbau des Steuerzuschusses für den Gesundheitsbereich neben den Anforderungen der „Schuldenbremse“ zu schultern sein werden. Was mittlerweile sogar die FDP einzusehen beginnt.

Die Opposition, namentlich die SPD, nimmt darauf erwartungsgemäß keinerlei Rücksicht. Sie wirft der Bundesregierung bereits 2010 eine unvertretbare Klientelpolitik „auf Kosten der Armen“ vor. Die designierte Parteichefin der Linken, Gesine Lötzsch, sieht sogar einen Haushaltsentwurf, der „gut für Spekulanten und schlecht für Arbeitslose“ sei.

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