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André Brie, die Linke: "Für die Zukunft fehlt uns Substanz“

Der Linken-Politiker André Brie über ein Bündnis mit der SPD im Bund – und Lafontaines Ausstrahlung.

Herr Brie, nach dem Willen der Parteiführung sollen Sie im nächsten Europaparlament nicht mehr vertreten sein. An diesem Wochenende wird der Bundesausschuss der Partei in Berlin darüber zu entscheiden haben. Bekommen Sie die Quittung dafür, dass Sie im Sommer 2007 zur innerparteilichen Opposition gegen Oskar Lafontaine aufgerufen haben?



Ich glaube nicht, dass der Widerstand gegen mich von Oskar Lafontaine ausgeht. Ich vermute andere Gründe: zum einen meine pro-europäische Haltung, die von einflussreichen Teilen der Partei abgelehnt wird, zum anderen mein Beharren auf einer realistischen Politik. Dazu kommt, dass wir in der Linkspartei sehr starke Kräfte haben, die die Linke für eine fundamentalistische und sektiererische Politik instrumentalisieren wollen. Zudem gibt es Desinteresse und Unkenntnis bei der Frage, was die sieben deutschen Europaabgeordneten der Linkspartei getan haben und erreichen konnten.

Auch Lothar Bisky und Gregor Gysi machen sich nicht mehr stark für Sie. Dabei hat Bisky Sie noch vor ein paar Monaten als „klugen Kopf“ gelobt. Fühlen Sie sich von den Parteioberen im Stich gelassen?

Nein, überhaupt nicht. Vor meiner eigenen Situation ist mir nicht bange. Ich habe eine sehr gute, wichtige und anerkannte Arbeit gemacht und werde kämpfen. Ich halte meine Rolle in der Linkspartei für wichtig. Andere müssen nicht für mich die Kastanien aus dem Feuer holen.

Vor anderthalb Jahren haben Sie die Sorge geäußert, durch die Gründung der Partei Die Linke könnte das Verhältnis zwischen Ihrer Partei und der SPD irreparabel zerstört werden. Wie sehen Sie das heute?

Seitens der Linkspartei sehe ich die Entwicklung positiv. In der praktischen Arbeit, auf politisch-parlamentarischer Ebene, haben wir Fortschritte gemacht. Allerdings ist in der Gesamtpartei davon viel zu wenig verankert. Entscheidend allerdings ist, dass die SPD gerade gar keine Alternative zur großen Koalition und zum Neoliberalismus mit der Linken wagen will. Aber die Aufgabe bleibt – wir müssen die Voraussetzungen schaffen, damit ein solches Linksbündnis in Deutschland möglich wird, beispielsweise 2013.

Erfolge können Sie ja nicht abstreiten – seit dem Zusammenschluss von PDS und WASG ist die Linke in vier West-Landtage eingezogen, sie darf sich laut Umfragen Hoffnungen auf einen Zuwachs bei der Bundestagswahl machen. Geschieht das alles trotz oder wegen Lafontaine?

Das geschieht maßgeblich wegen Lafontaine. Er hat strategische Führung in die Partei gebracht, er hat eine Ausstrahlung, an die keiner in der Partei herankommt. Unser Aufschwung hat natürlich auch mit dem Frust vieler Menschen über die herrschende Politik zu tun. Aber auch sie hätten wir als alte PDS niemals so erreichen können ohne Oskar Lafontaine, ohne die neue Entwicklung. Umgekehrt gilt: Ohne Lafontaine, ohne Gysi wird die Basis zur Stabilisierung dieser Ergebnisse fehlen. Für die Zukunft danach fehlt uns noch Substanz, personell und politisch.

Das Gespräch führte Matthias Meisner.

André Brie (58) galt lange als Vordenker der PDS. Nach der Europawahl im Juni droht dem Straßburger Abgeordneten in der Linkspartei das politische Aus.

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