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Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD).

© dpa

Andrea Nahles legt Gesetzentwurf vor: Wer in Zukunft noch streiken darf

Die große Koalition will den Streit der Gewerkschafter mit einem Gesetz zur Tarifeinheit schlichten. Die Betroffenen allerdings befürchten, ihr Verfassungsrecht auf Streik soll eingedämmt werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Antje Sirleschtov

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund fürchtet um ihr Streikrecht, andere Gewerkschafter drohen bereits mit Gerichtsprozessen: Die Aufregung um das neueste Gesetz der großen Koalition ist ein Gradmesser für das, was für die Betroffenen auf dem Spiel steht. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) legt ihre Pläne für die gesetzliche Stärkung der sogenannten Tarifeinheit vor. Wenn das Gesetz im kommenden Jahr in Kraft tritt, soll es Splittergewerkschaften, wie dem Marburger Bund oder aktuell auch der Lokführergewerkschaft GDL schwerer gemacht werden, ihre Einzelinteressen durchzusetzen. Ziel ist es, dem Mehrheitsprinzip Genüge zu tun.

Das heißt, wenn es zu Streitigkeiten verschiedener Arbeitnehmervertreter innerhalb eines Unternehmens kommt, dann soll der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten. Soweit, so gerecht. Schließlich ärgert die immer weiter um sich greifende Streikerei einzelner Gewerkschaften nicht nur Kunden. Sie belastet auch Arbeitgeber und die Gewerkschaften selbst.

Denn an Kraft verlieren sie am Ende insgesamt, wenn der Zersplitterung kein Riegel vorgeschoben wird. Dass die Bundesregierung nun tätig werden will, ist also zu begrüßen. Lange genug haben die großen Parteien ja eine Lösung vor sich her geschoben. Und zustande gekommen wird sie letztlich auch nur sein, weil Politik, Arbeitgeber und der Deutsche Gewerkschaftsbund einen Deal unter Einbeziehung des gesetzlichen Mindestlohnes verabredet haben.

Dass es der Arbeitsministerin Andrea Nahles darauf ankommt zu betonen, dass sie das Streikrecht mit dem Gesetz nicht antasten will, ist verständlich. Schließlich ist es dieses Recht, das die Koalitionsfreiheit ausdrückt, die den Gewerkschaften im Grundgesetz zugestanden wird und die diese im Zweifelsfall auch bis zum Verfassungsgericht einklagen werden. Nahles' Gesetz würde also im Zweifelsfall von den obersten Richtern gleich wieder kassiert.

Die Frage ist nur: Was bringt das Gesetz, wenn dieses Recht nicht angetastet wird?

Was die Regierung vorlegt, ist wohl am Ende nicht viel mehr als eine Handreichung für streitende Gewerkschafter. Bei einem Tarifkonflikt konkurrierender Gewerkschaften im selben Betrieb eines Unternehmen wie etwa der Deutschen Bahn solle künftig das Mehrheitsprinzip gelten.

Wirksam soll dann der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in dem Betrieb sein. "Im Fall einer Tarifkollision gilt der Tarifvertrag, der die größte Akzeptanz hat in der Belegschaft", sagt Nahles. Sie hofft, dass damit die Tarifkräfte gestärkt werden, die Verhandlungen im Sinne des gesamten Betriebes führten. Es trägt also das Prinzip Hoffnung: Wenn es zu Auseinandersetzungen kommt, dann gilt das Recht des (zahlenmäßig) Stärkeren.

Man ahnt bereits, was in Zukunft auf der Tagesordnung stehen wird: Härteste Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden Gewerkschaftern um die Deutungshoheit der Regelung und Arbeitnehmervertreter, die sich vor Gerichten gegenseitig ihre Mitglieder vorzählen. Das Gesetz wird also kommen. Zur Befriedung der unterschiedlichen Interessen wird es allerdings nicht kommen. Letztlich wäre es aber wohl auch nicht redlich von einer Regierung zu erwarten, dass sie per Gesetz den Streit der Arbeitnehmer untereinander bis ins Letzte regelt.

Die Aufgabe, Lösungen zu finden, die im Interesse aller Arbeitnehmer in einem Unternehmen sind, kann Politik den Gewerkschaftern nicht abnehmen. Und das soll sie auch nicht. Denn so plural, wie sich die Arbeitswelt entwickelt, müssen auch die Lösungen sein. Und diese zu finden ist die Aufgabe der Gewerkschaften selbst.

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