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Politik: Angeklagte ohne Gericht

Wer soll über die Kriegsgefangenen urteilen?

Rund 7300 Iraker haben die Alliierten seit Beginn ihres Feldzugs gefangen genommen. Seitdem sitzen diese Männer in mit Stacheldraht umfriedeten Lagern ein und warten. Wie ihre Zukunft aussieht, wissen sie nicht, und auch die Amerikaner sind noch unschlüssig, wie mit den Kriegsgefangenen verfahren werden soll.

Jetzt haben US-Militärgerichte im Irak damit begonnen, über den Status dieser Menschen zu entscheiden. Bei den meisten muss zunächst geklärt werden, ob es sich überhaupt im rechtlichen Sinn um Kriegsgefangene handelt. Ein Pentagon-Sprecher sagte der Agentur AFP, derzeit hätten die Tribunale erst im Fall von sieben Irakern entschieden: Zwei seien freigelassen worden, vier seien formal zu Kriegsgefangenen erklärt worden, der siebte sollte als Geistlicher bei den Inhaftierten bleiben. Rund 900 Iraker sind allerdings schon vorher wieder freigekommen, da es sich bei ihnen offenbar nicht um Kämpfer gehandelt hatte.

Das Interesse der Amerikaner dürfte sich ohnehin auf die Führungsriege des gestürzten Regimes konzentrieren. Nachdem inzwischen fünf der fünfundfünfzig, auch mit Hilfe eines Kartenspiels, gesuchten Funktionäre und Clan-Mitglieder von Saddam Hussein gefasst worden sind, wird die Frage immer dringender, was für ein Gericht für sie zuständig sein wird. Für Kriegsverbrechen soll sich die irakische Führung nach Vorstellung der Amerikaner vor US-Gerichten verantworten. Anders sieht es aus bei den Verbrechen, deren sich das Regime in den vergangenen Jahren schuldig gemacht hat. Eine Arbeitsgruppe aus irakischen und internationalen Juristen, die das US-Justizministerium bereits im vergangenen Sommer ins Leben gerufen hatte, plädiert für die Einrichtung eines irakischen Sondergerichtshofs, vor dem international geächtete Verbrechen angeklagt werden sollen. Ein internationales UN-Tribunal wie im Falle von Jugoslawien oder Ruanda wird – unter anderem von Mitgliedern der Bush-Regierung – als zu aufwändig und zu kostspielig erachtet. Mitglieder der mittleren Führungsebene hingegen könnten sich nach dem südafrikanischen Modell vor einer Art Wahrheitskommission verantworten.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag scheidet als Verhandlungsort für die Aburteilung des Saddam-Regimes aus. Weder die USA noch der Irak sind Unterzeichnerstaaten des Statuts des Gerichtshofs – deshalb könnte er im Fall Irak gar nicht tätig werden. Es sei denn, der UN-Sicherheitsrat würde ihn mit der Verfolgung der Verbrechen beauftragen. Doch einer solchen Resolution würden die USA als Gegner des Gerichtshofs kaum zustimmen. Und abgesehen davon verfolgt das Tribunal nur Vergehen, die nach dem 1. Juli 2002 begangen worden sind.

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