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Kommunen sehen Investitionsbedarf.

© dpa

Angela Merkel trifft Kommunallobby: Wie schlecht geht es Städten, Gemeinden und Kreisen?

An diesem Mittwoch kommen die Spitzen der Kommunalverbände ins Kanzleramt. Es geht um Geld für Investitionen, Soziallasten, Flüchtlinge. Doch wie ist es um die Kommunalfinanzen tatsächlich bestellt?

Die Kommunen klagen gern. Städte, Gemeinden und Landkreise machen vor allem damit Schlagzeilen, dass ihnen das Geld fehlt. Brücken bröckeln, Schwimmbäder schließen, von den Wänden der Schulen blättert der Putz ab. Die Defizite steigen. Und das Personal kostet immer mehr. Auch die Soziallasten steigen. Oder die Ausgaben für die Kitas. Hier sind es nicht zuletzt die gesetzlichen Vorgaben des Bundes, die die Kosten treiben.
So kann man sich vorstellen, wie das Gespräch verläuft, wenn sich an diesem Mittwoch die Spitzen der Kommunalverbände – Städtetag, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag – bei der Kanzlerin einfinden. Angela Merkel trifft sich immer wieder mit den Kommunallobbyisten. Der länger geplante Termin ist nun aber mit einer höheren Dringlichkeitsstufe versehen worden. Denn neben den Dauerthemen wie Infrastruktur, Soziales und Schulden steht noch das sich zuspitzende Flüchtlings- und Asylproblem auf der Agenda. Hier erwarten die Kommunen Unterstützung des Bundes. In der Vorwoche blieb ein Gespräch im Kanzleramt, mit Merkels Adlatus Peter Altmaier und den Chefs der Staatskanzleien der Länder, ohne greifbares Ergebnis.
Aber wie schlecht geht es den Kommunen in Deutschland wirklich? Oder wie gut? Schließlich brummte die Wirtschaft in den letzten Jahre, die Steuereinnahmen stiegen. „Bei durchschnittlicher Betrachtung hat sich die Gemeindefinanzsituation in den letzten Jahren entspannt“, urteilt der Kommunalfachmann Martin Junkernheinrich von der Uni Kaiserslautern. Insgesamt geht es den Kommunen nicht schlecht. Was die Lage kompliziert macht, sind die wachsenden regionalen Diskrepanzen. „In einigen Ländern, hier sind insbesondere Rheinland-Pfalz, das Saarland und Nordrhein-Westfalen zu nennen, gibt es weiterhin viele hoch verschuldete Kommunen, die den Haushaltsausgleich nicht bewältigen“, sagt Junkernheinrich. „Bei sich abschwächender Konjunktur werden die nicht gelösten Gemeindefinanzprobleme wieder deutlich hervortreten.“ Und die Konjunkturdaten deuten derzeit nach unten.

Jeder vierte Bürgermeister sagt: Uns geht es schlecht

Fragt man die Kommunalvertreter selbst, zeigt sich ebenfalls ein differenziertes Bild. Die Medienplattform „kommunal.com“ hat von Forsa mehr als 1000 Bürgermeister befragen lassen. Immerhin 38 Prozent sagen, ihrer Gemeinde gehe es finanziell gut oder sehr gut. 35 Prozent schätzen die Lage als weniger gut ein, 25 Prozent meinen, sie sei schlecht. Im Osten ist jedoch jeder zweite Bürgermeister. Im Süden dagegen nur jeder achte. Mit gut oder sehr gut bewerten nur 19 Prozent der Ost-Bürgermeister die finanzielle Situation, in Bayern und Baden-Württemberg sind es 52 Prozent. Tendenziell sind die Bürgermeister kleiner Kommunen zufriedener – je mehr Einwohner, umso größer die Sorgen, lautet die Faustregel. 40 Prozent der Gemeindeoberhäupter geben an, die Situation habe sich in den vergangen fünf Jahren verschlechtert.
Als drängendstes Problem werden Bau, Unterhalt und Sanierung von Straßen und Brücken genannt. 85 Prozent der Bürgermeister sehen hier Investitionsbedarf. Danach kommt schon der Unterhalt der Feuerwehr mit 57 Prozent. Mit Schulbauten und Kinderbetreuungseinrichtungen haben offenbar nur größere Städte ein Problem; hier sagen 92 Prozent der Bürgermeister, dass etwas getan werden muss (in kleineren Kommunen dagegen nur ein Drittel bis die Hälfte). Am wenigsten Bedarf sehen die Kommunalspitzen bei Müllentsorgung und Umweltschutz. Partnerschaften mit privaten Firmen, wie sie die Bundesregierung forcieren will, oder die Auslagerung von Aufgaben an Dritte sind nicht sehr populär – weniger als ein Viertel der Bürgermeister sieht darin eine geeignete Kooperationsform für Investitionen.

Kommunen in der Verschuldungsspirale

Geld für Investitionen fehlt vor allem in den Kommunen, die besonders hoch verschuldet sind. Daran ist die Lokalpolitik nicht selten selber schuld, durch Missmanagement oder Fehlinvestitionen wie überdimensionierte Schwimmbäder oder Kläranlagen. Häufiger aber sind es die Sozialausgaben, die gerade Kommunen in wirtschaftlich schwachen Regionen ins Minus gedrückt haben. Junkernheinrich spricht von einer „Verschuldungsspirale“ durch überproportional hohe Sozialkosten. „Gerade die Übernahme der Kosten der Unterkunft wäre für die strukturschwachen und vom Wachstum abgekoppelten Kommunen eine wichtige Entlastung und würde den Haushaltsausgleich realistischer machen“, sagt er. Genau darum wird es wohl bei Merkel auch gehen. Die schwarz-rote Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag zwar beschlossen, dass sie Länder und Kommunen bei der Eingliederungshilfe für Behinderte entlasten will, insgesamt um fünf Milliarden Euro. Doch jetzt haben Zweifel eingesetzt, ob das die richtige Entscheidung war – die Eingliederungshilfe wird nämlich von den Kommunen nach den individuellen Bedürfnissen gewährt, eine bundesweite Lösung wäre damit gar nicht so einfach. Zumal die Förderung regional sehr unterschiedlich ausfällt: sehr hoch etwa in Bremen, relativ gering in Sachsen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat daher mit dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in den laufenden Bund-Länder-Finanzgesprächen (in denen es auch um die Kommunen geht) den Vorschlag gemacht, dass der Bund statt dessen die Kosten der Unterkunft (KdU) für Langzeitarbeitslose übernimmt. Hier lassen sich eher pauschale Förderhöhen ermitteln. Noch ist der Vorschlag umstritten. Kommunalforscher Junkernheinrich empfiehlt auch eine baldige Lösung des Altschuldenproblems. Das sei schon wegen des Zinssteigerungsrisikos geboten. „In den hoch verschuldeten Problemkommunen wird man dies kaum aus eigener Kraft leisten können.“ Er könne aber Bund und Länder verstehen, wenn sie Entschuldungshilfen an den Haushaltsausgleich binden wollen. „Dies wird aber nur gelingen, wenn Kommunen, Länder und Bund eng abgestimmt eine Gesamtlösung vereinbaren.“

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