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Politik: Angriff auf das eigene Lager

Berlusconi attackiert Unternehmerverbände

Erst plagte ihn ein Hexenschuss, dann sah Silvio Berlusconi die gute Presse, die sein Herausforderer Romano Prodi für einen Auftritt bei Italiens Arbeitgebern bekommen hatte – und sprengte deren große Industriellentagung in Vicenza. 5000 Unternehmer debattierten am Wochenende über eine mögliche Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, da marschierte – unangekündigt – der Premier samt Leibwächtern ein.

Vor fünf Jahren stand die Confindustria, Italiens Arbeitgeber- und Industriellenverband, auf Seiten Berlusconis; heute fährt sie unter Führung von Fiat- und Ferrarichef Luca Cordero di Montezemolo einen politisch neutralen Kurs. Deshalb hat sie Politikerauftritte einheitlich geregelt: keine Wahlpropaganda, nur sachliches Frage-und-Antwort-Spiel zum politischen Programm. Doch Berlusconi ließ Fragen gar nicht aufkommen. Er entriss Finanzminister Giulio Tremonti das Wort, und als man ihn auf die Regeln hinwies, geriet er in Rage. Die Unternehmer seien alle Pessimisten, sie sollten lieber in ihren Firmen arbeiten als Diskussionen im Verband pflegen. Die ihn „attackierenden“ Zeitungen, auch die der Confindustria, seien „eine Gefahr für die Demokratie“. Und die wirtschaftliche Krise des Landes, von der diese Zeitungen schrieben? Gibt es nicht: „Die Linken haben sie erfunden, um an die Macht zu kommen.“ Dabei hatte Industriellen- Präsident Montezemolo tags zuvor nur Zahlen und Folgerungen der italienischen Nationalbank referiert: Nullwachstum 2005, kaum Wachstum 2006, wachsende Staatsverschuldung, hohe Ausgaben für den öffentlichen Dienst, gravierende Produktivitätseinbrüche im europäischen Vergleich; ohne tiefgreifende Modernisierung drohe sich das wirtschaftlich siebtstärkste Land der Welt vom allgemeinen Fortschritt abzukoppeln.

Berlusconi mag Montezemolo nicht. Er kritisiert ihm zu viel, ist Berlusconi zufolge „undankbar“. Nun aber, alle Umfragen ausblendend, nach denen Italiens Unternehmer mehrheitlich rechts wählen, legte Berlusconi noch eins drauf. „Ein Unternehmer, der so verrückt ist und unter dem Schutz einer linken Justiz die Linken unterstützt, der muss Leichen im Keller haben.“ Berlusconi bezog sich auf den Schuhunternehmer Diego Della Valle („Tod’s“), den er in der ersten Reihe sah und der ihn im TV heftig kritisiert hatte. Doch die versammelten Industriellen fühlten sich – so die scharfe Stellungnahme anschließend – alle „diskreditiert“ und für „politische Propaganda“ missbraucht.

Dies umso mehr, als sich noch während der Sitzung herausstellte: Berlusconis Leute hatten zu seinem Auftritt mindestens 250 Fans in den Saal geschleust, die frenetisch applaudierten und „Silviooo!“ riefen, als im regulären Publikum anfänglicher Beifall peinlicher Stille gewichen war. Als Berlusconi brüsk den Saal verließ, verschwanden auch sie. Zurück blieben verdatterte Industrielle und ihr um Fassung ringender Präsident. Er habe „zu viel Respekt vor politischen Institutionen“, sagte Montezemolo; diesen Auftritt werde er „nicht kommentieren“.

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