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Politik: Angriff der Diplomaten

Nach Ägyptens Staatschef verhandeln auch die Premiers aus Tel Aviv und London mit Bush über den Nahostkonflikt

Der Mann ist 75 Jahre alt, ein Autokrat. Seit mehr als zwei Jahrzehnten regiert er sein Land mit härtester Hand, die Wirtschaft ist sozialistisch. Dennoch pumpen die USA jährlich knapp zwei Milliarden Dollar hinein, davon 1,3 Milliarden als Militärhilfe. Denn Hosni Mubarak, Ägyptens Präsident, ist ein enger Freund des Weißen Hauses. Deshalb wurde er jetzt auch von George W. Bush auf dessen Ranch in Crawford, Texas, empfangen – eine seltene Ehre. Im Gegenzug hält Mubarak, trotz seiner „tiefen Besorgnis" über die Lage im Irak, weiter treu zu Bush. Die beiden brauchen sich – womöglich mehr denn je.

Die Mubarak-Visite war der Auftakt einer diplomatischen Offensive rund um den Nahostkonflikt. Am Mittwoch ist Israels Premier Ariel Scharon in Washington, Ende der Woche kommt Großbritanniens Regierungschef Tony Blair, in der kommenden Woche der jordanische König Abdullah sowie der palästinensische Außenminister Nabil Shaath. Etwas liegt in der Luft. Und die Grundfrage heißt: Wie lässt sich ein einseitiger Rückzug Israels aus dem Gazastreifen, inklusive der Räumung aller 21 Siedlungen dort, mit der Road Map in Einklang bringen, dem internationalen Friedensplan, an dessen Ende die Errichtung eines palästinensischen Staates steht?

Die Linie Scharons ist klar: Er will den totalen Rückzug aus dem Gazastreifen, einige exponierte Siedlungen in der Westbank räumen, im Gegenzug allerdings mindestens fünf große Siedlungen in der Westbank „bis in alle Ewigkeiten“ behalten. In diesen sechs Siedlungen leben mehr als die Hälfte der rund 240 000 israelischen Siedler – rechnet man Ost-Jerusalem hinzu, erhöht sich die Zahl auf 400 000. Besiegelt werden soll das territoriale Faktum durch den Bau eines Zaunes, der freilich nicht entlang der Grenze von 1967 verläuft. Am 29. April will Scharon diesen Plan den Mitgliedern seiner Likud-Partei zur Abstimmung vorlegen.

Gibt Bush Scharon in der Westbank freie Hand? Das ist in diesen Tagen die spannendste Frage. Im Anschluss an den Mubarak-Besuch äußerte sich der US-Präsident noch vorsichtig. Er begrüßte Scharons Rückzugspläne aus dem Gazastreifen, aber nur als einen „positiven Schritt“. Am Ende des Prozesses müsse die Errichtung eines palästinensischen Staates stehen. Von Mubarak rang er die Zusicherung ab, dass Ägypten künftig verstärkt die Grenzen zum Gazastreifen kontrollieren werde, damit militante palästinensische Gruppen keinen regen Waffenhandel treiben können. Nach einem Rückzug Israels aus dem Gazastreifen soll Ägypten dort die ordnende Macht sein.

Doch hartnäckig halten sich die Gerüchte, Bush werde Scharon noch sehr viel weiter entgegenkommen und den Plan des israelischen Premiers im Prinzip absegnen. Bush werde Scharon schriftlich versichern, dass Israel sich im Rahmen einer endgültigen Friedensregelung nicht auf die Grenzen von 1967 zurückziehen muss. Mit einer solchen Zusicherung im Gepäck hofft Scharon, das Referendum zu gewinnen.

Schafft Israel einseitig Tatsachen, um die Errichtung eines palästinensischen Staates auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben? Das befürchten, in unterschiedlicher Intensität, Mubarak, König Abdullah, die Palästinenser und Europäer. Für Letztere hat Tony Blair die undankbare Rolle übernommen, in Washington die Bedenken vorzutragen und darauf zu bestehen, dass der internationale Friedensplan durchgesetzt wird. Zwischen Road Map und Zaun, Blair und Scharon: Entweder muss Bush sich entscheiden oder einen goldenen Mittelweg finden.

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