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Politik: Angst machen statt schießen

Die USA verstärken den Druck auf den Iran. Doch ein Krieg gegen die Mullahs gilt als unwahrscheinlich

Preisfrage: In welchem islamischen Land ist die Bevölkerung am amerikafreundlichsten? Antwort: im Iran. Besonders die Kinder und Jugendlichen der Mullahs lieben sämtliche Symbole der US-Kultur. Der Grund für die Verehrung ist klar. Im gesamten Nahen Osten gilt eine einfache Faustregel. Je antiamerikanischer eine Regierung, desto proamerikanischer das Volk. Und je proamerikanischer eine Regierung, desto antiamerikanischer das Volk. In Saudi-Arabien und Pakistan, zwei engen Verbündeten der USA, genießt Osama bin Laden die meisten Sympathien. Denn der islamistische Antiamerikanismus hat dort wenig mit der US-Politik zu tun, sondern speist sich in erster Linie aus innenpolitischen Oppositionsmotiven. Ebenso in Ägypten und Jordanien. Überall dort in der islamischen Welt, wo die Bande nach Washington zu eng geknüpft werden, gedeiht der Fundamentalismus. Nur einige Öl-Emirate bilden wegen ihres Reichtums die Ausnahme von dieser Regel.

Die Regierung in Teheran ist traditionell auf die USA nicht gut zu sprechen. Halboffiziell ist Amerika seit der islamischen Revolution von 1979 immer noch der „große Satan“. Seit dieser Zeit unterhalten beide Länder keine diplomatischen Beziehungen mehr. Allerdings gab es seit dem 11. September 2001 eine gewisse Annäherung. In begrenztem Umfang zeigte sich Iran beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus behilflich. Dennoch positionierte US-Präsident George W. Bush das Land – gemeinsam mit Nordkorea und dem Irak – auf der „Achse des Bösen“ . Als am 12. Mai bei Selbstmordanschlägen in Saudi-Arabien 34 Menschen getötet wurden, platzte einigen Mitgliedern der US-Administration offenbar der Kragen. Al-Qaida-Mitglieder im Iran, hieß es unter Berufung auf Geheimdienstquellen, seien an der Planung der Anschläge beteiligt gewesen. Das Zuckerbrot wurde weggesteckt, jetzt wird die Peitsche geschwungen.

Was das jenseits des rhetorischen Trommelfeuers heißt, bleibt freilich nebulös. Im Nachbarland Irak sind mehr als 100 000 US-Soldaten stationiert. Dennoch scheidet ein weiterer Krieg als Option faktisch aus. Schon im Irak beschränkte sich die „Koalition der Willigen“ auf einige wenige Länder. Für eine Militärintervention in Iran stünden wahrscheinlich nur noch die Polen und Bulgaren an der Seite Amerikas. Außerdem operiert das US-Militär bereits heute am Rande seiner Belastbarkeit. In Afghanistan und dem Irak wird immer noch gekämpft, In Dutzenden anderen Ländern sind US-Soldaten dauerhaft stationiert. Selbst eine Hypermacht kann ihre Möglichkeiten überstrapazieren.

Den wichtigsten Grund aber, weshalb eine Intervention unwahrscheinlich ist, liefert die amerikanische Innenpolitik. Ein halbes Jahr vor Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes hat Bush so ziemlich alles erreicht, was er wollte. Zwei Kriege gewonnen, zwei Steuersenkungen durchgedrückt, den Kongress für die Republikaner erobert, das Erziehungswesen reformiert. Entsprechend hoch sind seine Popularitätswerte. Entsprechend schwächer dagegen wird täglich seine Neigung, politische Risiken einzugehen. Jeder weitere Krieg wäre ein solches Risiko. Ihre dramatischen Zeiten hat die Bush-Regierung hinter sich. Von jetzt an bis zum Wahltag gilt die Devise: Bloß keine Fehler mehr machen.

Durch permanente Einschüchterung soll die Regierung in Teheran zu Konzessionen gezwungen werden. Das Feld der US-Wünsche ist weit: Entschieden gegen Al Qaida vorgehen, das Atomprogramm erst offen legen, dann beenden, schließlich die Unterstützung von radikalen Palästinensergruppen einstellen. Für Teheran sind das zwar ernste, aber keine Besorgnis erregenden Entwicklungen. Zumindest vorerst nicht.

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