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Politik: Angst vor dem Abstieg

Zweifel an Georg Milbradt in der Sachsen-CDU

Georg Milbradt sah ungewöhnlich blass aus an jenem Tag und rang nach Worten. Er habe einen Moment lang überlegt, erklärte er mit brüchiger Stimme, „ob ich die Wahl überhaupt annehmen soll“. Das war vor zwei Monaten im Landtag in Dresden. Milbradt war gerade als Ministerpräsident gewählt worden – doch erst im zweiten Wahlgang. Mehrere Abgeordnete aus dem eigenen Lager hatten dem 59-Jährigen die Gefolgschaft verweigert.

Jetzt beginnt die nächste Etappe der Revolte. Die CDU-Kreisverbände Freiberg und Mittweida fordern, die Ämter von Regierungschef und Parteivorsitzendem zu trennen. Und Ex-Wirtschaftsminister Martin Gillo legt mit der Feststellung nach: „Milbradt könnte als Regierungschef freier handeln, wenn er nicht mehr Parteichef ist.“

Die Demontage Milbradts hatte im September nach den Einbußen bei der Landtagswahl begonnen. Damals trat ein, was viele in der Union befürchtet hatten. Die absolute Mehrheit ging verloren, die erfolgsverwöhnte Partei büßte fast 16 Prozentpunkte ein. Die herbe Wahlschlappe wird vor allem Milbradt angelastet. Zudem zog die rechtsextreme NPD in den Landtag ein – und mancher wirft Milbradt auch vor, keinen Kurs gegen die Rechtsextremisten zu haben. Mehrfach, so die Vermutung, haben Unionsabgeordnete seitdem die NPD unterstützt.

Aus Grummeln wird Widerstand. Man könne Sachsen nicht führen wie ein Statistisches Landesamt, wettert etwa der CDU-Landtagsabgeordnete Roland Wöller. Der 34-jährige Politiker gehört neben dem amtierenden Generalsekretär Michael Kretschmer zu einer kleinen Gruppe von jüngeren Politikern, die sich fragen, wie es weitergehen soll. In einer seit kurzem in Dresden kursierenden internen Analyse gehen sie allerdings auch mit der Basis hart ins Gericht. Es fehle der Wille, etwas zu bewegen.

Welch krasser Gegensatz zur Erfolgsgeschichte, die nun Vergangenheit ist: Georg Milbradt hat vor vier Jahren mit großer Energie seinen Aufstieg an die Spitze des Landes betrieben, nachdem ihn Vorgänger Kurt Biedenkopf als „hervorragenden Fachmann, aber miserablen Politiker“ beschimpft und als Finanzminister entlassen hatte. Milbradt wollte es allen zeigen, vor allem Biedenkopf. Und er hatte Erfolg. 2001 übernahm er den CDU-Landesvorsitz, Anfang 2002 löste er schließlich Biedenkopf ab.

Jetzt wächst in der Partei die Sorge, dass es weiter bergab geht. Für erhebliche Unruhe und Unzufriedenheit sorgt, dass Milbradt seinen Vertrauten Herrmann Winkler zum Chef der Staatskanzlei machte, obwohl der als Generalsekretär für den vergeigten Wahlkampf zuständig war. Und sauer ist man in der Union auch, dass Milbradt selbst bis heute mit dem schlechten Abschneiden offensichtlich nichts zu tun haben will. Die Quittung: Es sieht so aus, als entgleite dem Spitzenmann die Macht, Stück für Stück.

Lars Rischke[Dresden]

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