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Seit Jahren Streit mit der Justiz: Ministerpräsident Kurt Beck.

© Reuters

Angst vor dem Aufstand: Kommission soll Streit um Justizreform schlichten

Die Proteste gegen die Justizreform in Rheinland-Pfalz treffen vor allem Kurt Beck – nun soll eine Kommission zur Schlichtung beitragen.

Kurt Beck ist zurück. Seit zwei Tagen hat der Ministerpräsident von Rheinland- Pfalz seinen Lieblingsurlaubsort in Cochem an der Mosel verlassen und ist in seinen 200 Kilometer entfernten Wohnort nach Steinfeld gefahren. Dort habe er begonnen, heißt es aus seinem Umfeld, erste politische Gespräche zu führen, bevor am Freitag sein Urlaub endet.

Nun wäre die Rückkehr des SPD- Mannes keine Nachricht, wenn sich in seiner Abwesenheit nicht eine Anti- Beck-Stimmung in seinem Lande breit gemacht hätte.

Konkret geht es um die Justizreform, die die rot-grüne Regierung anstrebt und dabei die Oberlandesgerichte Koblenz und Zweibrücken zusammenlegen will. Aus Sicht der Grünen ist die Sache relativ klar. Die Fusion sei notwendig, weil man generell sparen müsse, um die Schuldenbremse einzuhalten. Daniel Köbler, Grünen-Fraktionschef im Mainzer Landtag, sagte dem Tagesspiegel: „Wir erwarten von der Reform einen finanziellen Beitrag in siebenstelliger Höhe für die Schuldenbremse.“ Aber die Grünen wissen auch, in der öffentlichen Wahrnehmung ist das Thema noch mit einer anderen Geschichte verbandelt. Es geht um einen seit Jahren andauernden Streit zwischen Justiz und Regierung.

Rot-Grün drohen nämlich 10 000 Euro Zwangsgeld, wenn nicht binnen eines Monats die seit 2010 vakante Stelle des Präsidenten am Oberlandesgericht in Koblenz neu besetzt und damit ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts umgesetzt wird. Das hat das Verwaltungsgericht in Koblenz entschieden.

Der rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff (SPD) will gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen. Der Konflikt begann 2007. Hartloffs Vorgänger hatte seinerzeit die Besetzung des hohen Richteramtes im Hauruckverfahren durchgezogen. Gegen viele Widerstände ernannte er seinen Wunschkandidaten zum Präsidenten. Dessen Mitbewerber, der Landgerichtspräsident Hans-Josef Graefen, ein CDU-Mann, klagte daraufhin gegen die Besetzung und bekam Recht: Das Bundesverfassungsgericht bescheinigte der rheinland-pfälzischen Landesregierung Verfassungsbruch, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig enthob sogar den SPD-Wunschpräsidenten seines Amtes und verlangte eine neue Ausschreibung der Stelle. Das Auswahlverfahren sei nicht „sachgerecht“ und nicht „allein an Leistungsgesichtspunkten orientiert“ gewesen, hieß es.

Die CDU-Opposition forderte vergeblich den Rücktritt des Justizministers, auch die Grünen, damals noch nicht im Landtag vertreten, verlangten Konsequenzen: „Rein parteipolitisch motivierten Besetzungen bei obersten Richterstellen muss in unserem Bundesland endlich ein Riegel vorgeschoben werden.“

Wegen der angestrebten Reform hob Rot-Grün nun die erneute Ausschreibung der Koblenzer Präsidentenstelle auf, dem Bewerber Graefen teilte das Justizministerium mit, seine Bewerbung müsse nach Rücknahme der Ausschreibung ohne Sachprüfung unberücksichtigt bleiben.

Das Verwaltungsgericht Koblenz sieht das anders und lässt keinen Zweifel daran, dass die Ausschreibung der Präsidentenstelle nicht einfach aufgehoben werden könne: Vakanzen in diesem Amt dürften allenfalls für eine kurze Übergangszeit hingenommen werden. Es gebe auch keinen sachlichen Grund, das Bewerbungsverfahren einzustellen: Die Auflösung des OLG Koblenz sei zwar „politisch beabsichtigt“, ein Gesetz dazu gebe es aber noch nicht.

Und so hat sich diese Affäre zu einem wirklichen Imageproblem von Kurt Beck entwickelt. Denn bevor Beck in den Urlaub verschwand, hatte er den betroffenen Richtern sinngemäß zugerufen, es handele sich bei ihnen um untergeordnete Behörden. Sollte heißen: Die sollen mal den Mund halten. Man muss dazu wissen, dass Becks schroffe Reaktionen auch damit zu tun hatten, dass er selbst nicht nur von den Richtern, sondern auch von den eigenen Genossen beschimpft wurde. Einer schrieb, es „ist erschreckend wie sich Kurt Beck vom Ministerpräsidenten nah’ bei de Leut zum Wolf im Schafspelz gewandelt hat“. Eine ehemalige Bundestagsabgeordnete schrieb Beck einen Protestbrief, den er vor dem Öffnen schon in der Zeitung lesen konnte. Für Beck ist diese Art der Kritik im eigenen Bundesland neu. Er war beleidigt, entsetzt und, wie es aus seinem Umfeld heißt, „emotional verletzt“.

Doch die Umfänge des Protests haben nun dazu geführt, dass die Regierung eine Bürgerbewegung gegen sich fürchten muss. Schon träumen die Kritiker von einem Volksentscheid. Die Grünen haben bisher vergeblich versucht zu vermitteln. In den Gesprächen, die Beck derzeit von zu Hause aus führt, dürfte deshalb ein Thema besonders diskutiert werden. Nach Informationen des Tagesspiegels wird die Regierung eine Kommission zur Schlichtung vorschlagen, in denen sich alle Beteiligten wiederfinden. Dann soll eine sozialverträgliche Lösung erarbeitet werden. Eine Art Stuttgart 21, sagt ein Koalitionär, könne man in Rheinland-Pfalz nicht gebrauchen.

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