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Politik: Angst vor dem Erfolg

In mehreren arabischen Ländern sieht man die Wahl im Irak mit Besorgnis – sie könnte die Machtbalance in der Region ändern

Die arabische Welt schaut mit gemischten Gefühlen auf die Parlamentswahlen im Irak. Die in London publizierte panarabische Tageszeitung „As Sharq al Awsat“ überschrieb ihren Irak-Kommentar am Sonntag mit der Zeile: „Ein Auge voller Angst, ein Auge voller Hoffnung.“ Angst vor einem Zerfall des Landes, falls nicht alle Kräfte repräsentiert werden, und Hoffnung, dass die Wahl und die Politik der neuen Führung zu einer Stabilisierung Iraks führen. Es sei ein Beginn, und kein Anfang sei jemals perfekt, heißt es in der Zeitung. Die saudische „Arab News“ beschreibt die Wahlen als eine „Niederlage für die Terroristen und einen Sieg der Vernunft“. Doch die meisten Blätter betonen die kriegerischen Umstände, unter denen die Wahlen stattfinden, und kritisieren die US-Besatzung. „Das Zerbrechen Iraks ist eines der Ziele der Besatzung, die dauerhaft angelegt ist“, schreibt die Dubaier Tageszeitung „Al Khalij“. Die ägyptische Oppositionszeitung „Al Wafd" sieht in den Wahlen einen Weg, die „US-Besatzung zu konsolidieren“. Die panarabische „Al Quds al Arabi“ kritisiert, dass man angesichts des „blutigen Chaos“ nicht von Demokratie sprechen könne.

Die Einschätzungen widersprechen dem Enthusiasmus, mit dem viele Schiiten und Kurden an die Wahlurnen gegangen sind. Sie spiegeln die Ängste und das Dilemma arabischer Staaten angesichts der Ereignisse im Irak wider. Die Staaten haben meist sunnitische Mehrheiten, die sich mit der sunnitischen Minderheit im Irak identifizieren. Hinzu kommt die Angst vor den Auswirkungen eines schiitischen Wahlsiegs. In den sechs Golfländern gibt es schiitische Minderheiten, die teils diskriminiert werden. In Saudi-Arabien sind etwa zwei der 17 Millionen Einwohner Schiiten, sie werden von der wahhabitischen Glaubensrichtung nicht als Muslime anerkannt. In Bahrain sind etwa 60 Prozent der Bewohner Schiiten, die Führung ist sunnitisch. Wenn die Schiiten im Irak eine politische Führungsrolle übernehmen, könnte das auch den Forderungen der schiitischen Minderheiten Auftrieb geben, befürchten die Machthaber. Im besten Fall könnte der Irak ein Modell dafür werden, wie verschiedene Bevölkerungsgruppen die Macht teilen, was aber nicht im Sinne der autoritären arabischen Regime ist. Der jordanische König Abdallah II. hatte im Dezember vor einer Veränderung der traditionellen Machtbalance zwischen Sunniten und Schiiten gewarnt.

Die Regime fürchten zudem, dass die relative Pluralität der Wahlen, bei allen Unzulänglichkeiten, entsprechende Forderungen in den eigenen Ländern stärken könnte. Dieser mögliche Dominoeffekt wird jedoch erheblich eingeschränkt durch die Tatsache, dass die Wahlen unter US-Militärherrschaft stattfinden. Die Mehrheit der Bevölkerung in der arabischen Welt lehnt diese strikt ab, und so fällt es leicht, die politische Entwicklung im Irak zu diskreditieren. In dieser Sicht sind sich Regime und ihre Kritiker oft einig. Und so nutzen auch Oppositionsgruppen wie „Al Wafd“ in Ägypten kaum die Chance, angesichts der Wahlen im Irak kritische Fragen an die eigene Führung zu richten. In Ägypten sollen im Herbst Präsidentschaftswahlen stattfinden , bei denen nur ein Kandidat antreten wird.

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