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Politik: Angst vor einem Flächenbrand

Die neue chinesische Führung verschärft die ideologische Kontrolle – und schüchtert Kritiker ein

Mit einer Kampagne gegen Dissidenten und Intellektuelle versucht Chinas KP- Führung die ideologische Kontrolle über das Land zu verschärfen. In den vergangenen Wochen wurden zahlreiche Intellektuelle, Journalisten und Bauernführer von der Sicherheitspolizei festgenommen. Hinter der Kampagne steht nach Ansicht von Beobachtern Staats- und Parteichef Hu Jintao.

Die Soziologen Lu Jianhua und Chen Hui, von der renommierten Akademie der Sozialwissenschaften, sind seit April in Polizeigewahrsam. Offiziell wird ihnen die Verbreitung von Staatsgeheimnissen vorgeworfen. Chinesische Intellektuelle sehen die Festnahmen aber als Warnung gegen kritische Akademiker. Lu sei „bekannt für seine Ansichten über politische Reformen ebenso wie Pekings Verhältnis zu Hongkong und Taiwan“, schreibt der China-Experte Willy Lam im China-Brief der „Jamestown Foundation“.

Mit Besorgnis verfolgten viele Chinesen auch die Festnahme des in Hongkong stationierten Journalisten Ching Cheong, der seit Ende April unter Hausarrest steht. Der für die Singapurer Zeitung „Straits Times“ akkreditierte Journalist soll nach Angaben der Behörden „geheime Informationen an ausländische Nachrichtendienste“ gegeben haben – ein selbst in China vager Vorwurf. Nach Angaben der Familie wollte Ching in China ein Dokument abholen, in dem die letzten Gespräche des im Januar verstorbenen früheren Parteichefs Zhao Ziyang aufgezeichnet sind. Zhao stand seit den Studentendemonstrationen 1989 unter Hausarrest und gilt als Ikone der Opposition.

Auch in anderen Bereichen hat die Regierung den Druck erhöht. An der Peking-Universität und vielen anderen Hochschulen wurden Internet-Diskussionsforen geschlossen und die politische Propaganda verschärft. Die Sicherheitspolizei geht mit neuer Härte gegen Aufstände von Bauern und Arbeitern vor. Chinesische Journalisten berichten von einer deutlich verschärften Zensur.

Nach Angaben von chinesischen Journalisten und Regierungsvertretern geht die Kampagne auf eine direkte Anordnung von Staats- und Parteichef Hu Jintao zurück. Der 2002 an die Macht gekommene Top-Kader will mit dem harten Vorgehen die ideologischen Zügel anziehen. Auf einer internen Versammlung soll Hu vor kurzem eine Warnung des früheren Vorsitzenden Mao Zedong zitiert haben: „Ein Funken aus dem Himmel kann einen Flächenbrand entfachen.“ Gemeint ist damit, dass Unruhen und Dissens an der Wurzel gestoppt werden sollen. Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao stellen sich damit in die Reihe ihrer Vorgänger. Hoffnungen vieler, vor allem ausländischer Beobachter, dass die neuen KP-Führer eine liberalere Politik verfolgen könnten, haben sich nicht erfüllt.

Harald Maass[Peking]

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