zum Hauptinhalt

Politik: Angst vorm knallroten Gummiboot

Hessens Grüne neigen durchaus zu einer Minderheitsregierung mit der SPD – aber sie wollen Sicherheiten

Nach dem Sommertheater um SPD und Linke fordern Hessens Grüne, dass in Wiesbaden wieder über politische Inhalte geredet wird – und endlich wieder über sie. Mit einer „Schlangenbader Erklärung“ trat am Montag die Grünen-Doppelspitze vor die Presse. Die Vorsitzenden Kordula Schulz-Asche und Tarek Al-Wazir versicherten, ihre Partei könne sich nach wie vor eine rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen vorstellen, „wenn Inhalte und Bedingungen stimmen“.

Landesvorstand und Fraktion hatten dazu ein 18-seitiges Papier verfasst, das sich wie eine Regierungserklärung liest. Im Zentrum steht die Forderung nach einer Energiewende in Hessen, nach einer neuen Bildungspolitik und der Abkehr von den Flughafenausbauplänen. Nachdrücklich reklamiert die Partei das Umweltressort für sich und formuliert damit gleichzeitig eine Absage an Hermann Scheer (SPD), den Andrea Ypsilanti zum Superminister für Umwelt und Wirtschaft machen will. Vor allem verlangen die Grünen von SPD und Linkspartei „Verlässlichkeit“. In den drei Fraktionen sollen noch vor möglichen Koalitionsverhandlungen geheime Probeabstimmungen veranstaltet werden, fordern die Grünen. Bevor er sich auf schwere See begebe, wolle er wissen, ob er sich auf einem hochseetauglichen Schiff befinde oder auf einem knallroten Gummiboot, sagte Al-Wazir zur Begründung.

SPD-Sprecher Frank Steibli erklärte dazu, dass es zwar Probeabstimmungen geben werde. Es sei aber fraglich, ob solche Abstimmungen vor den Verhandlungen über die Inhalte wirklich sinnvoll seien. Der Linken-Abgeordnete Hermann Schaus spottete, seine Fraktion sei zu „einer oder mehreren Probeabstimmungen“ bereit, und lud SPD und Grüne dazu ein, als Wahlvorstand zu gastieren. Auch seine Fraktionskollegin Janine Wissler, die dem radikalen Flügel ihrer Partei zugerechnet wird, versicherte, die sechs Abgeordneten der Linken würden Andrea Ypsilanti „ohne Vorbedingungen“ zur Ministerpräsidentin wählen.

Die Grünen knüpfen ihre Bereitschaft zur Regierungsbildung außerdem an die Bedingung, dass eine Parlamentsmehrheit für zentrale Gesetze und einen Landeshaushalt sichergestellt werden muss. Einen Blankoscheck für SPD und Grüne könne es nicht geben, sagten dazu die Linken. Es sei an SPD und Grünen, endlich konkret über Gesetzesvorhaben und Haushaltsfragen zu verhandeln.

In der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik trennt Linke und Grüne wenig. Während die SPD die nordhessischen Autobahnen A 44 und 49 und die Flughäfen in Frankfurt und in Kassel-Calden ausbauen will, lehnen das Linke und Grüne ab. In der Schulpolitik treten alle drei Parteien für ein längeres gemeinsames Lernen aller Schüler in der Eingangsstufe der weiterbildenden Schulen ein. Bei der Haushaltspolitik bestehen die Grünen darauf, dass die Nettoneuverschuldung ein Ende haben muss. Die größten Schnittmengen haben Rot-Rot-Grün in der Energie- und in der Tarifpolitik. Alle wollen eine Wende hin zu regenerativen Energie, treten für einen gesetzlichen Mindestlohn ein und wollen das Land in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückführen. Bei dem zu erwartenden Streit um Kabinettsposten wollen sich die Linken heraushalten, versicherten gestern die Linken Schaus und Wissler. Damit widersprachen sie Forderungen aus ihrer Partei, die Berufung von SPD-Vize Jürgen Walter zum Minister zu verhindern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false