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Politik: Ankara macht mobil

Parlament stimmt über militärische Aktionen gegen Kurden im Nordirak ab

Ein Einmarsch der türkischen Armee ins Nachbarland Irak rückt näher. Schon in der kommenden Woche, unmittelbar nach dem „Zuckerfest“ zum Abschluss des Fastenmonats Ramadan, soll das Parlament in Ankara über eine Vollmacht für die Armee abstimmen. Nach Presseberichten ziehen die Militärs bereits Truppen und Panzer an der Grenze zu Irak zusammen. Auch soll die türkische Artillerie erste Dörfer im Norden Iraks unter Beschuss genommen haben, in denen Stellungen der kurdischen Rebellengruppe PKK vermutet werden. Einige Beobachter vermuten, dass das Säbelrasseln nur den Zweck hat, Iraker und Amerikaner dazu zu bewegen, selbst gegen die PKK-Stützpunkte auf irakischem Boden vorzugehen. Die Vorbereitung der militärischen Option könnte aber eine gefährliche Eigendynamik entwickeln.

Der Tod von 13 Soldaten bei einem PKK-Überfall am vergangenen Wochenende hat die türkische Öffentlichkeit und offenbar auch die Regierung in Ankara geschockt. Die Zeitungen kennen seit Tagen fast kein anderes Thema mehr. Mit der geplanten Parlamentsentscheidung zur Truppenentsendung nach Irak erfüllt Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eine seit Monaten erhobene Forderung der Militärs und reagiert zugleich auf den wachsenden Druck der Öffentlichkeit und der Opposition: Die Türkei muss etwas gegen die PKK unternehmen, lautet der Grundkonsens.

Dass eine Militärintervention die beste Reaktion auf die Bedrohung durch die PKK wäre, ist aber längst nicht sicher. Zwar hat die PKK ihr Hauptquartier auf irakischem Boden und kann dort ihre Angriffe in der Türkei vorbereiten und ihre Kämpfer ausbilden. Doch die mehr als 20 türkischen Interventionen in Nordirak in den vergangenen Jahrzehnten haben den Rebellen nichts anhaben können. Die Nachteile eines türkischen Einmarsches liegen auf der Hand. Vertreter der Kurdenregion warnen, eine neue Eskalation wäre eine Katastrophe für den ohnehin schon verarmten Landesteil. Außenpolitiker weisen auf die absehbaren Rückschläge für den türkischen EU-Prozess und auf den Schaden in den türkischen-amerikanischen Beziehungen hin, falls die Türkei in Irak einmarschieren sollte. Die US-Regierung reagierte bereits besorgt auf die türkischen Einmarschpläne. Selbst die Generäle in Ankara sind nach Presseberichten trotz ihrer öffentlichen Forderungen nach freier Hand in Nordirak überzeugt, dass die PKK mit Hilfe einer Intervention nicht endgültig zu besiegen ist.

Oppositionspolitiker rufen trotzdem weiter nach einem Angriff – den sie schließlich nicht zu verantworten hätten. Wenn das Parlament einmal grünes Licht gegeben hat, muss die Regierung entscheiden, wann, wie und in welchem Umfang die Armee nach Irak einmarschieren soll. Einen Automatismus wird es nach dem Parlamentsbeschluss also nicht geben. Doch die angepeilte Entscheidung der Volksvertretung dürfte in der Öffentlichkeit hohe Erwartungen wecken. Sollte die PKK in der Zeit nach dem Parlamentsbeschluss bei ihren Angriffen weiter so viele türkische Soldaten töten wie derzeit, wird der Ruf nach Vergeltung noch lauter werden. Und dann wird Erdogan möglicherweise den Marschbefehl geben müssen.

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