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Ankara: Türkei verbietet Kurdenpartei DTP

Verfassungsgericht begründet Entscheidung mit EU-Standards: Auch Baskenpartei sei in Spanien illegal

Die Türkei steht vor einer neuen politischen Krise. Das Verfassungsgericht in Ankara hat am Freitag in einer einstimmig ergangenen Entscheidung die Kurdenpartei DTP verboten. Hasim Kilic begründete die Entscheidung vor Journalisten in Ankara mit der Nähe der Partei zur kurdischen Rebellenorganisation PKK. In einer ersten Reaktion sagte DTP-Chef Ahmet Türk, mit Parteiverboten werde sich das Kurdenproblem nicht lösen lassen. In den Tagen vor dem Urteil hatten sich die Spannungen in der Türkei wegen des Todes von sieben Soldaten bei einem PKK-Anschlag bereits erheblich verschärft. Nun wird eine weitere Eskalation erwartet.

In den vergangenen Jahren waren in der Türkei bereits mehrere andere kurdische Parteien verboten worden; auch damals wurden die Entscheidungen mit der Nähe der Organisationen zur PKK begründet. Der Prozess gegen die DTP hatte vor zwei Jahren begonnen. Parallel zum Parteiverbot erließ das Gericht ein politisches Betätigungsverbot gegen 37 DTP-Politiker. Parteichef Türk und die Abgeordnete Aysel Tugluk verloren zudem ihr Parlamentsmandat.

Die DTP hatte allerdings bereits im Vorfeld der Entscheidung erklärt, im Falle eines Parteiverbots würden alle ihre 21 Abgeordneten ihre Mandate niederlegen. Falls die DTP diese Ankündigung in die Tat umsetzt, könnte es Nachwahlen in den betroffenen Gebieten geben. Ein solcher Rückzug würde auch auf eine weitere Radikalisierung hindeuten, weil die kurdischen Politiker damit klarmachen würden, dass sie das Parlament nicht mehr als wichtigsten Ort der Konfliktklärung betrachten.

Kilic verwies bei der Urteilsverkündung darauf, dass sich das Gericht unter anderem an der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg orientiert habe. Das Gericht hatte im Sommer das Verbot der baskischen Partei Herri Batasuna wegen Unterstützung der Terrororganisation Eta bestätigt. Die DTP hatte sich beharrlich geweigert, sich von der PKK eindeutig zu distanzieren.

Das Verbot fiel in eine Zeit, in der Bemühungen der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan um eine friedliche Beilegung des Kurdenkonflikts unter erheblichen Druck von Nationalisten und auch von der PKK geraten sind. Die Nationalisten werfen Erdogan, der der religiös-konservativen AKP angehört, Landesverrat vor. Gleichzeitig protestierten in den vergangenen Tagen tausende von Kurden gegen eine angebliche Verschlechterung der Haftbedingungen von PKK-Chef Abdullah Öcalan.

Auch die EU-Kandidatur der Türkei könnte von dem Urteil von Freitag in Mitleidenschaft gezogen werden. Brüssel hatte in den vergangenen Jahren sowohl die relativ häufigen Parteiverbote – insgesamt sind bereits fast 30 politische Parteien in der Türkei aufgelöst worden – als auch den Mangel an politischen Lösungsansätzen für den Kurdenkonflikt kritisiert. Erdogans Kurden-Initiative war deshalb von der EU begrüßt worden. Doch das Schicksal dieser Initiative ist jetzt ungewiss.

Auch hatten sich Gefechte zwischen der PKK und der Armee wieder verschärft. Die PKK bekannte sich zum Anschlag auf einen Militärkonvoi, bei dem sieben Soldaten starben. Neue Verschwörungstheorien und neues Misstrauen hatten sich zuvor breitgemacht. Während die Regierung einen Anschlag vermutete, mit dem die PKK den Friedensprozess torpedieren wolle, der sie überflüssig machen würde, wiesen DTP-Vertreter darauf hin, dass es auch auf seiten des Staates Kräfte gebe, die an einer Fortdauer des Krieges interessiert sind.

Nach Angaben der Armee wurden bei Zusammenstößen in den vergangenen Tagen neun PKK-Kämpfer erschossen worden. Erdogan hatte wegen der Spannungen einen Besuch in Mexiko vorzeitig abgebrochen und war am Freitag vorzeitig in die Türkei zurückgekehrt.

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