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Politik: Ankaras große Furcht vor einem Kurdenstaat im Nordirak

Istanbul. Die Welt blickt noch auf Afghanistan, doch die Türkei plant bereits für die nächste Phase des Anti-Terror-Krieges: den Angriff auf Irak.

Istanbul. Die Welt blickt noch auf Afghanistan, doch die Türkei plant bereits für die nächste Phase des Anti-Terror-Krieges: den Angriff auf Irak. Die türkische Armee verlegte zusätzliche Truppen an die Grenze zu dem südlichen Nachbarstaat und errichtete Lager für weitere Truppenverstärkungen. Mit Aufklärungsflugzeugen und Hubschraubern patroullieren die Türken den Luftraum über dem von kurdischen Gruppen kontrollierten Nordirak. Armee-Einheiten in der Region sind in erhöhter Alarmbereitschaft, wie der Branchendienst MENL berichtet.

In Ankara haben zudem die strategischen Überlegungen über eine Neuordnung der Region nach einem westlichen Angriff auf Irak begonnen. Insider rechnen damit, dass die Türkei dann mit westlicher Duldung die Kontrolle über den Nordirak übernehmen könnte, um die Entstehung eines unabhängigen Kurdenstaates dort zu verhindern.

Offiziell setzt Ankara zwar immer noch darauf, den USA einen Angriff auf den südlichen Nachbarn auszureden. Denn am liebsten wäre der Türkei die Beibehaltung des Status Quo. Nichts fürchtet die Türkei mehr als einen Kurdenstaat an ihrer Grenze, der die kaum befriedeten Kurdenrebellen im eigenen Lande zu neuen Taten anstacheln könnte. So lange der Nordirak zumindest nominell Bagdad untersteht, können die kurdischen Autonomieversuche nicht allzu weit gedeihen. Zudem kann die türkische Armee mit den nordirakischen Kurdengruppen gegen die türkisch-kurdischen PKK-Rebellen in dem Gebiet vorgehen.

Doch nur der Türkei zuliebe dürften die USA nicht auf einen Angriff auf Irak verzichten, wenn sich die Befürworter einer solchen Linie in Washington durchsetzen - das ist auch Regierung und Militär in Ankara klar. Zwar versicherte der britische Außenminister Jack Straw bei einem Besuch in der Türkei in dieser Woche wieder, ein Angriff auf Bagdad sei derzeit kein Thema; doch die Türken registrieren wohl, dass solche Beschwichtigungen stets mit Vorbehalten versehen sind. Umgekehrt dürfte Washington aber kaum gegen den Widerstand der Türkei gegen Bagdad vorgehen wollen und können. Über einen Kompromiss wird hinter den Kulissen offenbar schon länger verhandelt. Nach Einschätzung von Beobachtern könnte er darin bestehen, dass der Nordirak bei einem Zerfall des Landes der türkischen Kontrolle überlassen würde.

Nicht nur mit der US-Regierung haben die Türken diese Linie bereits erörtert - unter anderem beim Besuch des türkischen Außenministers Ismail Cem in Washington, wie der stets besonders gut unterrichtete Chefredakteur des türkischen CNN-Senders, Mehmet Ali Birand, von dort berichtete. Auch mit führenden Kurdenpolitikern aus dem Nordirak sondiert die türkische Regierung eine künftige Schutzmachtrolle in der Region. Die rivalisierenden Machthaber in dem Gebiet, die Patriotische Union Kurdistans und die Kurdische Demokratische Partei, zeigten sich bei diesen Gesprächen dem Vernehmen nach pragmatisch: Das Machtvakuum im Nordirak, das bei einem US-Angriff auf Irak und dem Sturz von Hussein entstünde, würde unweigerlich von einem der Nachbarn - also von der Türkei oder Iran - ausgefüllt, lautete die Einschätzung der Kurden. Vor diese Wahl gestellt, würden sie eine türkische Schutzmacht vorziehen - wenn diese sich durchringen könne, die kurdischen Rechte in der Region anzuerkennen.

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