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Politik: Anleitung zum Geldverdienen

Die OECD hat schon in den 90er Jahren eine Jobstrategie entwickelt – der folgen jetzt die Hartz-Gesetze

Berlin - In den USA und Großbritannien ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger von 1994 bis 2000 um die Hälfte gesunken. In den Niederlanden, Kanada und Dänemark sind immerhin ein Drittel weniger Menschen von der Wohlfahrt abhängig als vor den dortigen Arbeitsmarktreformen. Schon vor mehr als zehn Jahren hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Jobstrategie entwickelt, die für alle diese Länder so etwas wie die Blaupause war. Auch die Hartz-Gesetze in Deutschland folgen mehr oder weniger den Vorschlägen der OECD – nur gut zehn Jahre später als andere.

Mark Pearson, Leiter der Abteilung Sozialpolitik bei der OECD, nennt vier wesentliche Punkte, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Der wichtigste: Man müsse etwas tun. Man dürfe Arbeitslose nicht abschreiben, auch nicht diejenigen, die älter als 55 Jahre alt sind, ergänzt sein Kollege Raymond Torres, der die OECD-Abteilung Arbeitsmarkt leitet. Dann müssen falsche Anreize beseitigt werden: Es darf für Arbeitslose nicht lohnend sein, zu Hause zu bleiben, statt arbeiten zu gehen. Das meint auf der einen Seite mehr Druck, auf der anderen Seite mehr Betreuung, um auch schwierigen Kandidaten wieder einen Einstieg in die Erwerbsarbeit zu ermöglichen.

Der Abstand zwischen Lohn und Lohnersatzleistung darf außerdem nicht zu gering sein. Wer mehr Arbeitslosengeld bekommt, als er sich mit einem Job verdienen könnte, wird kaum eine solche Stelle annehmen. Das kann mit einem Mindestlohn geschehen. Es ist aber auch möglich, Menschen mit niedrigem Arbeitseinkommen steuerlich stärker zu entlasten, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Die erfolgreichen Länder haben zudem ihren öffentlichen Dienst in Ordnung gebracht. Anstatt eine Behörde nur das Arbeitslosengeld auszahlen und andere irgendwelche Trainingsprogramme entwerfen zu lassen, sind alle Zuständigkeiten rund um die Arbeitslosen nun an einer Stelle zusammengeführt. „Dänemark war erfolgreich, weil die Behörden in eine Richtung arbeiten“, sagt Pearson.

In Deutschland, analysiert Pearson, sei lange versucht worden, die Einkommensschere nicht zu weit klaffen zu lassen – durch hohe Steuern und ein hohes Maß an Umverteilung. „Aber irgendwann wird es unmöglich, die Steuern noch weiter zu erhöhen“, sagt er. Doch auch die erfolgreichen Länder sind aus seiner Sicht „nicht gut genug“. „Wir müssen die Menschen in Karrieren bringen.“ Es sei nicht genug, die Leute nur von einem befristeten, schlecht bezahlten Job in den nächsten zu befördern. Wie das passieren könnte, darüber will eine Sozialministerkonferenz der OECD Ende März beraten. Denkbar wäre, die Betreuung der Klienten nicht just dann einzustellen, wenn sie in eine Arbeit vermittelt worden sind, sondern mit ihnen weiterzuarbeiten.

Außerdem stellten auch die erfolgreichen Staaten fest, dass es Menschen gibt, die sich beim besten Willen nicht vermitteln lassen. In den Niederlanden führte das dazu, dass diese Gruppe nach einiger Zeit einfach in Ruhe gelassen wurde. Das war ein Fehler, sagt Pearson, denn nun bemühen sich immer mehr Menschen in die Gruppe der Nichtvermittelbaren aufgenommen zu werden, um sich nicht mehr anstrengenden Trainingsprogrammen unterziehen zu müssen. Promt stieg die Zahl der Hilfeempfänger wieder.

Um eine Problemgruppe, die Altersgruppe von 55 bis 64, im Arbeitsleben zu halten, haben auch die bisherigen Arbeitsmarktreformen in OECD-Ländern noch nicht ausgereicht. Obwohl es Länder gibt, in denen deutlich mehr Ältere arbeiten als in Deutschland, wo es lediglich 39 Prozent sind. In Dänemark sind es immerhin 60 Prozent. Der wichtigste Schritt wäre, es attraktiver zu machen, länger zu arbeiten, als vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Raymond Torres sagt: „Die Resultate solcher Reformen sind aber erst nach vier oder fünf Jahren deutlich zu erkennen.“

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