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Politik: Annan-Plan spaltet Syriens Opposition

Exil-Dachverband gegen Übergangsregierung unter Beteiligung des alten Regimes / Türkischer Truppenaufmarsch geht weiter.

Ein neuer Plan des Syrien-Vermittlers Kofi Annan für eine Übergangsregierung in Damaskus stößt schon vor seiner Veröffentlichung auf Widerstand. Vertreter der syrischen Exilopposition lehnten den Vorstoß zur Bildung einer Regierung aus Regimevertretern und Oppositionellen am Donnerstag ab. „Warum sollten wir uns angesichts von 20 000 Toten und 30 000 Vermissten mit dem Assad-Regime an einen Tisch setzen?“, sagte Mahmut Osman, der Türkei-Vertreter des Oppositionsdachverbandes SNC, dem Tagesspiegel in Istanbul. Die türkische Armee setzte unterdessen ihren Aufmarsch an der Grenze zu Syrien fort und verlegte unter anderem Raketenwerfer in die Grenzprovinz Hatay.

Annans erster Plan, der eine Waffenruhe und einen Abzug schwerer Waffen aus den syrischen Städten vorsah, gilt zwei Monate nach seinem formellen Inkrafttreten im April als gescheitert. Für diesen Samstag hat Annan zu einer internationalen Konferenz nach Genf eingeladen, um über einen neuen Plan zu beraten. Dieser enthält laut UN-Diplomaten die Möglichkeit, den syrischen Präsidenten Baschar al Assad und maßgebliche Mitglieder der bisherigen Führung in Syrien von der neuen Regierung auszuschließen: Dem neuen Kabinett solle niemand angehören, der dessen Glaubwürdigkeit untergraben könnte.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow dementierte, dass es bereits eine breite Einigung auf den neuen Plan gebe. Zwar müsse es in Syrien einen politischen Übergang geben, sagte er. Doch Syrien müsse selbst darüber entscheiden, wie dieser zu gestalten sei. Lawrow kritisierte auch, dass der syrische Verbündete Iran nicht nach Genf eingeladen wurde. Annan hat die Außenminister der fünf UN-Vetomächte – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – sowie hohe Vertreter der EU und die Minister aus der Türkei, dem Irak, Katar und Kuwait nach Genf eingeladen. Ebenso wie der Iran bleibt der syrische Erzrivale Saudi-Arabien in Genf außen vor.

Für den syrischen Oppositionsverband SNC ist Annans neuer Vorschlag aber von vornherein unannehmbar. Das Regime habe schon den ersten Plan des Syrien-Vermittlers unterwandert, sagte SNC-Mitglied Osman dem Tagesspiegel. „Ich persönlich finde es falsch, jetzt noch ein viel größeres Projekt anzugehen“, sagte er über die vorgeschlagene Übergangsregierung. Auch frage er sich, warum das syrische Volk nach so großen Opfern im Kampf gegen die Regierung am Ende mit eben dieser Regierung zusammenarbeiten sollte. Auch SNC-Sprecher George Sabra lehnte Annans Plan ab.

Nach dem Abschuss eines türkischen Militärjets durch Syrien drohte Ankara diese Woche zum ersten Mal mit militärischer Gewalt gegen Syrien. Türkische Medien zitierten am Donnerstag einen syrischen Regierungssprecher mit den Worten, die syrische Luftabwehr habe den türkischen Jet für eine israelische Maschine gehalten und deshalb abgeschossen. Eine Aggression gegen die Türkei sei nicht beabsichtigt gewesen.

Dennoch ging die am Dienstag begonnene Verlegung von Panzereinheiten und anderen Militärverbänden an die syrische Grenze auch am Donnerstag weiter. In Ankara berieten die Spitzen von Regierung und Militär in einer turnusgemäßen Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates über die Lage an der Grenze zu Syrien. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Mittwoch betont, die Türkei wolle keinen Krieg, werde aber allen eine Lehre erteilen, die ihre Stärke auf die Probe stellen wollten.

In Syrien selbst ging am Donnerstag die Gewalt weiter, 69 Menschen sollen getötet worden sein. Bei Kämpfen im Großraum der Hauptstadt Damaskus wurden mindestens 13 Menschen getötet. Vor dem Justizpalast im Stadtzentrum explodierten zwei Bomben und verletzten nach einer Meldung des Staatsfernsehens drei Menschen. Der Anschlag am helllichten Tag mitten in Damaskus könnte vor allem dazu gedient haben, Bewohnern Behörden klarzumachen, dass die bewaffnete Opposition mittlerweile stark genug ist, um selbst im politischen Zentrum des Landes zuzuschlagen. Die sogenannte „Freie Syrische Armee“ (FSA), der bewaffnete Arm der Opposition, hatte nach anfänglichen Rückschlägen in jüngster Zeit mehrere Erfolge gegen die syrischen Regierungstruppen verbuchen können.

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