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Politik: Annans Auftrag

Von Harald Schumann

Lüge, Verrat, Versagen – der neueste Bericht der UNUntersuchungskommission zum Skandal um das Programm „Öl für Lebensmittel“ offenbart gnadenlos die persönliche Tragödie des Kofi Annan. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen wurde jahrelang von seinem Sohn Kojo hintergangen. Entgegen der Anweisung seines Vaters ließ der sich von einer Firma gut bezahlen, die für die UN einen Großauftrag im Irak erfüllte. Nichts spricht dafür, dass diese Verbindung Einfluss auf die Auftragsvergabe oder gar die Handlungen des UN-Chefs hatte. Vater Annan ist nicht korrupt.

Und doch hat die private Geschichte eine politische Dimension. Annan kannte seinen Sohn und ahnte Unheil. Darum bat er seinen Stab um die Prüfung, ob aus der angeblich gekündigten Verbindung Kojos zu der Firma womöglich ein Interessenkonflikt für ihn selbst erwuchs. Aber die Kontrolle fand nicht statt. Noch am selben Tag gaben Annans Bürokraten Entwarnung. Dieser Umgang mit der brisanten Materie hatte System. Die ganze UN-Bürokratie ist so konstruiert: Vetternwirtschaft und Einflussnahme für Einzelinteressen sind an der Tagesordnung, und niemand schert sich darum. Nicht, dass UN-Beamte schlechtere Menschen als andere wären. Das Übel liegt in der UN-Verfassung selbst. Denn die verschafft den Mitgliedstaaten ein extremes Maß von direkter Kontrolle über das UN-Sekretariat, das darum kaum Autonomie genießt. Nicht einmal Hilfskräfte können eingestellt werden, ohne dass Diplomaten ihre Favoriten unterbringen dürfen.

Man stelle sich vor, in dieser diffusen Struktur erhält eine 30-köpfige nach internationalem Proporz besetzte Abteilung die Aufgabe, gemeinsam mit dem Regime eines arabischen Despoten für zehn Milliarden Dollar im Jahr Öl zu verkaufen und damit Lebensmittel für das Volk des Tyrannen zu erwerben. Die Käufer für das Öl und die Verkäufer für die humanitären Güter bestimmen allerdings die Schergen des Tyrannen. Und der braucht, abgeschnitten von allen legalen Devisenerlösen, jeden Dollar, den er kriegen kann. Daneben nutzen die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats das Programm, um ihre nationalen Interessen zu bedienen. Mal konspiriert in dieser Zeit die US-Regierung mit befreundeten jordanischen Ölschmugglern, die dem Despoten Geld verschaffen, mal lassen sich russische und französische Politiker mit lukrativen Ölverträgen bedienen. Dann wieder begeht der britische Botschafter Ausschreibungsbetrug zu Gunsten einer britischen Firma. Zu allem Überfluss dürfen die UN-eigenen Experten keinen der Verträge stoppen, selbst wenn sie offenkundig in betrügerischer Absicht geschlossen werden. Das Einspruchsrecht reservieren die Regierungen ausschließlich für sich selbst.

Sechs Jahre lang funktionierte das Öl-für-Lebensmittel-Programm für den Irak genau so. Es käme einem Wunder gleich, wenn es dabei keine Korruption und illegalen Zahlungen an das Saddam-Regime gegeben hätte. Folglich war der Auftrag an das UN-Sekretariat, die Legalität aller Transaktionen durchzusetzen, von Beginn an eine „Mission Impossible“. Darum trifft Annan moralisch keine Schuld am so genannten UN-Skandal. Umso dringender müssten er und seine Unterstützer nun für eine Reform der UN-Verfassung streiten, die dem Generalsekretär und seiner Verwaltung Autonomie bei der Durchführung der Aufträge des Sicherheitsrats verschafft. Dazu müsste das Recht gehören, unerfüllbare und widersprüchliche Aufträge zurückzuweisen. Nur wer entscheiden darf, kann auch Verantwortung übernehmen.

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