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Anette Schavan

© dpa

Annette Schavan, CDU Vize: "Wir sind uns mit der FDP einig"

CDU-Vize Annette Schavan spricht im Tagesspiegel über die Erfolge der Koalition, Seehofers Seriosität und die Liberalen.

Warum bricht in der Union Chaos aus, wenn es um Steuern geht?

Das Stichwort „gerechte Steuerreform" begleitet uns seit Jahren. Das war ein großes Thema im letzten Wahlkampf. Das ist auch heute für uns nicht bloß irgendein Thema, denn es geht um gerechte Belastung und faire Beziehungen zwischen Staat und Bürger. Deshalb stellt sich die Frage, wie wir dieses Ziel auch heute in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Situation erreichen können.

CDU-Politiker sagen: Das können wir in Zeiten, in denen der Staat Unsummen gegen die Krise aufwendet, nicht erreichen.

Das ist eine Argumentation aus der aktuellen Situation heraus. Aber in einem Wahlprogramm geht es um politisches Handeln im nächsten Jahrzehnt. Wir müssen dort die Frage beantworten, wie wir wieder Wachstum generieren wollen. Und wir müssen den Bürgern klar sagen, wie wir mit solchem Wachstum dann umgehen werden. Dafür gibt es drei zentrale Punkte, die alle mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Erstens: In Bildung und Forschung investieren, weil das Quellen für künftigen Wohlstand sind. Zweitens: Generationengerechtigkeit durch Abbau von Schulden sicherstellen. Und drittens: Leistungsträger entlasten.

Verstehen wir richtig: Steuerentlastung als Projekt für die Zeit nach der Krise?

Wir müssen seriös sein und sollten nicht zu viel versprechen. Wahlkampf heißt nicht nur, zu sagen, was jetzt ganz aktuell nötig ist, sondern den Wählern vor der Wahl zu sagen, was wir tun wollen, wenn die Krise überwunden ist. Wir tun im Moment alles dafür, dass Deutschland gestärkt aus der Krise hervorgeht und auch für den Bundeshaushalt wieder Spielraum entsteht. Aber es würde ja auf eine Kapitulation der Politik hinauslaufen, wenn wir nicht darüber hinausdenken würden. Der Satz ,Wir werden die Bürger entlasten, wenn der Spielraum dafür wieder da ist’ gehört zu einer Wahlaussage aber dazu, damit sie seriös bleibt.

Ist Horst Seehofer unseriös, wenn er Steuersenkung sofort fordert?

Nein, Horst Seehofer betont nur besonders, dass aus seiner Sicht Entlastung ein wichtiger Faktor ist. Allerdings hat Bayern der Schuldenbremse in der Föderalismuskommission ebenso zugestimmt wie all den Maßnahmen, mit denen Bildung und Forschung zusätzlich gefördert werden sollen.

2005 sagte die Union: Steuersenkung kurbelt Wachstum an. Gilt das noch?

Das ist die Erfahrung in vielen Ländern, und die gilt natürlich weiter. Steuersenkung ist nicht dauerhaft bloß ein Kostenfaktor für den Staatshaushalt, sondern führt zu einer Belebung des Wachstums und des Konsums, die am Ende auch dem Haushalt zugute kommt. Der Blick in die Vergangenheit lehrt, dass Steuereinnahmen genau so rasch, wie sie runter gehen, auch wieder steigen können. Wir können heute keine Jahreszahl nennen. Aber klar ist: Die Politik muss alles dafür tun, dass die Wirtschaft rasch wieder in Gang kommt.

Und bis dahin streitet die Union weiter darüber, ob man erst Steuern senken oder erst die Haushalte sanieren soll?

Am 29. Juli werden wir das Wahlprogramm verabschieden. Dort werden wir die gemeinsame Position formulieren, und danach ist die Diskussion beendet.

Sie sind sicher, dass Horst Seehofer dann nicht mehr sagt, die Steuern müssten morgen runter?

Ich bin sicher, dass wir uns auf gemeinsame Aussagen einigen werden. Aber auch Franz Josef Strauß hat manches Mal eigene Prioritäten besonders betont.

Steuern sind nur ein Punkt in einem Wahlprogramm. Sagen Sie uns: Warum soll der Bürger am 27. September CDU wählen?

Weil der Blick auf 60 Jahre Bundesrepublik zeigt, dass die CDU die Kraft hat, dieses Land voranzubringen. Wir haben in den entscheidenden Situationen Verantwortung getragen. Und die CDU mit Angela Merkel an der Spitze beweist auch heute wieder, dass sie die Zeichen der Zeit erkennt. Die CDU verfügt wie keine andere Partei über Erfahrung als gestaltende Kraft und über die Offenheit, Brücken in die Zukunft zu bauen.

Wieso erkennt der Bürger, wenn er von Demoskopen befragt wird, diese Leistung nicht? Er lässt auf die Kanzlerin nichts kommen, aber die Union dümpelt auf dem Niveau der letzten Wahl herum!

Die Kanzlerin ist CDU-Vorsitzende. In schwierigen Zeiten kommt es erstens darauf an, dass die Bürger mit dieser Kanzlerin in der Krise gut aufgehoben sind. Die Antwort darauf ist eindeutig. Und es kommt darauf an, dass die Bürger der CDU in den entscheidenden Fragen die meiste Kompetenz zubilligen. Auch das ist der Fall.

Neben der Steuerfrage, Frau Schavan: Wie lautet die Botschaft der CDU?

Die CDU muss sich als Zukunftspartei präsentieren, die eine Vorstellung davon hat, wie Deutschland im Jahr 2020 aussehen soll. Ein neugieriges, innovatives Deutschland, das Solidarität als Quelle des sozialen Zusammenhalts sich entfalten lässt. Solche Grundsätze, die sich dann auf einzelne Fragen anwenden lassen, gehören zuallererst in ein Programm.

Hat die große Koalition ihren Job schlecht gemacht?

Nein, die große Koalition hat keinen Grund, sich selbst schlechtzureden. Sie hat Entscheidungen getroffen, die Deutschland stärker gemacht haben, als wir 2005 waren. Das hilft uns jetzt auch in der Krise. Aber natürlich kann jeder der Partner auch Dinge aufzählen, die in dieser Konstellation nicht möglich waren. Für beide Volksparteien kann das keine Dauereinrichtung sein.

Was kann eine bürgerliche Koalition aus CDU/CSU und FDP besser machen?

In einer bürgerlichen Koalition können Akzente gesetzt werden, die zur Philosophie der SPD nicht passen. Bei den Sozialdemokraten gibt es immer noch die Grundthese: Was der Staat regelt, ist gut geregelt; was dem Spiel der Kräfte in einer Gesellschaft anvertraut wird, kann nicht funktionieren. Aber selbst in unserer heutigen Zeit der Krise müssen wir darauf achten, dass Regulierung nicht so weit geht, dass sie Dynamik abwürgt. Darin sind wir uns mit der FDP einig.

Das Gespräch führten

Antje Sirleschtov und Robert Birnbaum.

Antje Sirleschtov udn Robert Birnbaum

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