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Einer von vielen Anschlägen: Im nordirakischen Kirkuk bewacht am Montag ein Polizeibeamter den Tatort nach einer Autobombenattacke.

© dpa

Anschläge im Irak: Geht die Gewalt auf das Konto von Al Qaida?

Es war der blutigste Tag im Irak im ganzen Jahr: Mehr als 100 Menschen sind bei Anschlägen getötet worden, fast 300 wurden verletzt. Steckt Al Qaida dahinter?

Bagdad/Berlin - Bei schweren Angriffen auf Schiiten-Viertel im ganzen Land sind im Irak mindestens 111 Menschen getötet worden. 268 Menschen wurden zudem durch mehrere Bombenanschläge und Schießereien in verschiedenen Landesteilen am Montag nach Angaben von Polizisten und Ärzten verletzt. Es war der blutigste Tag im Irak in diesem Jahr.

Mit dem Beginn des Fastenmonats Ramadan hatte am Wochenende eine neue Welle der Gewalt eingesetzt. Aus Sicherheitskreisen verlautete, die sunnitische Terrororganisation Al Qaida versuche einen Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen religiösen Bevölkerungsgruppen zu provozieren. Bereits am Sonntag waren bei Anschlägen in mehreren Landesteilen 20 Menschen getötet worden.

In der Stadt Tadschi 20 Kilometer nördlich von Bagdad detonierten am Montag sechs Sprengsätze in der Nähe eines Wohnkomplexes. Eine siebte Explosion traf die Polizisten, die zum Ort des Angriffs eilten. Allein nördlich der irakischen Hauptstadt wurden mehrere Ortschaften getroffen: Chan Bani Saad, Tus Churmato, Samarra und Duschail. Weitere Detonationen wurden aus Schiiten- Vierteln in Bagdad gemeldet. In Kirkuk im Norden des Landes explodierten fünf Autobomben. In der Unruheprovinz Dijala griffen Unbekannte mehrere Sicherheitsposten an. Unter den Opfern der Anschlagsserie waren auch zahlreiche Soldaten und Polizisten. Allein beim Angriff auf eine Militärbasis 90 Kilometer nördlich von Bagdad wurden 15 Soldaten getötet und zwei weitere verletzt, wie aus Armee und Innenministerium verlautete. Am Sonntag war die den Schiiten heilige Stadt Nadschaf ebenfalls das Ziel eines Anschlags gewesen.

Auch wenn sich zu den Angriffen zunächst niemand bekannte, machten irakische Sicherheitskreise die Terrororganisation Al Qaida dafür verantwortlich. Die Gruppe wolle einen Glaubenskrieg auslösen: „Al Qaida versucht, den Irak an den Rand eines Krieges zwischen Schiiten und Sunniten zu treiben“, hieß es. „Die Terroristen wollen, dass die Lage hier so schlimm wird wie in Syrien.“ Die meisten Iraker sind Schiiten. Die große Wüstenprovinz Anbar wird allerdings mehrheitlich von Sunniten bewohnt und grenzt an Syrien. Dort tobt seit etwa 16 Monaten ein von Sunniten angeführter Aufstand gegen die von der alawitischen Minderheit beherrschte Regierung von Präsident Baschar al Assad.

Der Ramadan hatte im Irak am Samstag begonnen. Die zwei Wochen davor waren vergleichsweise friedlich verlaufen, zuvor jedoch waren im Juni bei Anschlägen mindestens 237 Menschen gestorben, allein am 13. Juni waren bei Attentaten 84 Menschen getötet worden. Insgesamt hat die Gewalt im Irak im Vergleich zum Höhepunkt der Kämpfe zwischen den verschiedenen Volksgruppen in den Jahren 2006 und 2007 zwar abgenommen, doch angesichts der neuen Anschläge wachsen auch die Ängste, dass sich die Situation wiederholen könnte. Seit dem Abzug der US-Kampftruppen im Dezember vergangenen Jahres jedenfalls sind die Spannungen im Land hoch, dazu kommt der anhaltende politische Streit zwischen den schiitischen, sunnitischen und kurdischen Gruppen im Land.

Der UN-Sondergesandte für den Irak, Martin Kobler, sieht das Land trotz der jüngsten Anschlagsserie dennoch nicht vor dem Zerfall. Es gebe allerdings „zentrifugale Tendenzen“, und es sei nicht ausgeschlossen, dass sich sunnitische Provinzen nach dem Beispiel Kurdistans für autonom erklärten, sagte Kobler in Berlin. Er betonte, die Gewalt im Irak sei gegenüber früher zurückgegangen, auch wenn „jeder Tote einer zu viel“ sei.

Der Leiter der UN-Unterstützungsmission für den Irak (Unami) fügte hinzu, die schwierige Sicherheitslage im Irak werde von den dortigen Akteuren weiter für „politische Grabenkämpfe“ entlang ethnischer und religiöser Linien genutzt. Aufgrund der innenpolitischen Blockade sei das Gesetz zur Aufteilung der Öl- und Gasressourcen nach sieben Jahren immer noch nicht verabschiedet. Viele Menschen müssten ohne Strom und fließendes Wasser auskommen. Die Arbeitslosigkeit, insbesondere bei Frauen, sei hoch.

Die UN-Unterstützungsmission für den Irak zählt gut 1500 Mitarbeiter und unterhält Büros in Bagdad, Basra, Erbil und Kirkuk. Sie koordiniert die Aktivitäten von 20 UN-Organisationen, Programmen und Fonds wie das UN-Entwicklungsprogramm, das UN-Flüchtlingshilfswerk und das Welternährungsprogramm. Unami steuert den Aufbau des Landes und soll den Übergang in ein demokratisches System, etwa durch Provinzwahlen im kommenden Jahr, gewährleisten. rtr/AFP/dpa

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