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Gestenreiche Trauer im Zentrum von Manchester.

© Reuters/Darren Staples

Anschlag in Manchester: Sicherheitsexperten sprechen von neuer Taktik des IS

Kinder als Ziel und eine Ankündigung des Anschlags: Behörden sehen nach Manchester eine in Westeuropa noch nicht dagewesene Art des islamistischen Terrors.

Von Frank Jansen

Der Anschlag in Manchester konfrontiert die Sicherheitsbehörden des Westens möglicherweise mit neuen Taktiken der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Erstmals wurden in Europa gezielt Kinder und Jugendliche attackiert und erstmals tauchte vor einem Angriff des IS bei Twitter eine Mitteilung auf, in der die Attacke angekündigt wurde. Außerdem gibt es nun innerhalb von fünf Monaten zum zweiten Mal den Verdacht, die libysche Filiale der Terrormiliz könnte hinter einem Anschlag in Westeuropa stecken.

Der Attentäter Salman Abedi war offenbar kurz vor dem Angriff in Libyen. Die Polizei in Tripolis nahmen jetzt den Vater und einen Bruder Abedis fest. Der 18-jährige Hashim Abedi soll dann in Gewahrsam ausgesagt haben, er und sein Bruder Salman hätten dem IS angehört. Das erinnert an den Fall Anis Amri. Nach dem Anschlag des IS-Sympathisanten am 19. Dezember in Berlin kam heraus, dass der Tunesier mit Dschihadisten in Libyen in Kontakt gestanden hatte.

Der IS hat zwar eine Hochburg in Libyen, die Hafenstadt Sirt, nach heftigen Kämpfen verloren, doch er ist weiter im Land präsent. Sicherheitskreise vermuten, Salman Abedi könnte in Libyen Unterstützung für den Bau der Bombe erhalten haben. Bruder Hashim soll jedenfalls den libyschen Behörden berichtet haben, ihm seien Einzelheiten zum bevorstehenden Anschlag bekannt gewesen. Ob er die Wahrheit sagte, lässt sich bislang allerdings nicht feststellen. In dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land sind Vernehmungen nach rechtsstaatlichen Kriterien kaum vorstellbar. Hashim Abedi könnte unter gewaltigem Druck geredet haben. Vater Abedi sagte indes im Verhör, Salman sei unschuldig. Der IS hat sich hingegen zum Anschlag bekannt. Das sei „plausibel“, sagen Sicherheitskreise.

Salman Abedi war wohl kurz vor dem Attentat in Libyen

Dass Salman Abedi kurz vor dem Attentat in Libyen war, ist aus Sicht deutscher Sicherheitskreise kaum zu bezweifeln. Sie sagen, Abedi sei von Libyen über Prag nach Düsseldorf geflogen und dort am 18. Mai in eine Maschine nach Manchester umgestiegen. Vermutlich habe er sich nur kurz im Transitbereich des Düsseldorfer Flughafens aufgehalten. Dennoch werde geprüft, ob Abedi in Düsseldorf Kontakt zu anderen Personen hatte. Die Videos der Überwachungskameras des Flughafens seien noch nicht alle ausgewertet, sagten Sicherheitsexperten am Donnerstag. Abedi sei vor dem Anschlag den deutschen Behörden nicht bekannt gewesen. Deshalb ist ihnen auch neu, dass Abedi im Jahr 2015, wie Medien berichten, von Frankfurt am Main nach Großbritannien geflogen sein soll.

Unklar bleibt, ob Abedi auch in Syrien war. Der französische Innenminister Gerard Collomb sagte am Mittwoch, der Attentäter sei in Libyen und in Syrien gewesen. Dafür gebe es bislang „keine Bestätigung“, sagen deutsche Sicherheitskreise. Bleibt noch die Geschichte mit dem seltsamen Tweet. Montagabend, vier Stunden vor dem Anschlag, tauchte bei Twitter eine Mitteilung auf, in der „ISLAMICSTATE“ und „manchesterarena“ genannt werden – kombiniert mit einer in schlechtem Englisch formulierten Ankündigung von „JUST TERROR“. Die Sicherheitsbehörden in Großbritannien, aber auch in Deutschland und anderen Staaten prüften, welchen Hintergrund der Tweet hat.

Womöglich wurde der Ankündigungs-Tweet nicht ernst genommen

Experten sagen, es sei leider nicht auszuschließen, dass der Tweet gesehen, aber nicht ernst genommen wurde. Andererseits sei angesichts der Masse an Mitteilungen bei Twitter kaum vorstellbar, dass jeder potenziell gefährliche Tweet den Behörden auffalle. Zumal es ungewöhnlich sei, dass der IS einen Anschlag ankündigt. „Das hatten wir noch nicht“, betont ein deutscher Experte.

Sorgen bereitet Polizei und Nachrichtendiensten auch, dass Abedi und damit wohl die Terrormiliz "Islamischer Staat" bewusst Kinder und Jugendliche attackierten. Das gab es bislang in Westeuropa nicht. Allerdings sprach einer der jungen Salafisten, die im April 2016 einen Sikh-Tempel in Essen mit einer Bombe angegriffen hatten, noch in der Untersuchungshaft über einen Selbstmordanschlag auf einen Kindergarten.

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