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Teilnehmer der Pegida-Kundgebung in Dresden am vergangenen Samstag.

© Arno Burgi/dpa

Anti-Asyl-Proteste: Sachsen, der Freistaat der Frustrierten

Ein Vorort von Chemnitz ist im permanenten Protestzustand, Pegida light in Plauen, vernetzte Asylgegner im Erzgebirge – Szenen aus der sächsischen Provinz.

Im Herbst standen sie mit einem Transparent vor dem Brandenburger Tor. Doch nun, nach 120 Tagen Dauerprotest, hat es ein Vertreter aus ihrem Dorf bis zum Vizekanzler geschafft. Falk Ulbrich, Ortsvorsteher von Einsiedel in Sachsen, war am Montag in der SPD-Parteizentrale im Willy-Brandt-Haus. „Es war ein konstruktives Gespräch“, sagt der CDU-Mann nach dem Treffen mit Sigmar Gabriel.

Einsiedel ist ein Vorort von Chemnitz, ein Dorf, das in der DDR ein Pionierlager bekam. Wo die Jugend einst sozialistische Feriengestaltung erlebte, zogen Anfang Januar Flüchtlinge ein. Der Nachwende-Besitzer, ein Heidelberger Bildungsinstitut, hatte das Gelände an den Freistaat Sachsen vermietet – als Erstaufnahmestelle für Asylbewerber.

Als die Pläne im September bekannt wurden, formierte sich die Bürgerinitiative „Nein zum Erstaufnahmeheim“ und stellte Zelte in einen Vorgarten an der Zufahrtsstraße. Der „Infostand“ wurde zum Kontrollpunkt, es begann ein monatelanger Nervenkrieg. Der erzgebirgische Pegida-Ableger mischte auch mit und kündigte im Oktober schon mal „die Busse mit den Invasoren“ an. Hunderte frustrierte Bürger versperrten daraufhin die Straße. Der „Infostand“ ist rund um die Uhr besetzt.

Jeden Mittwoch wird in Einsiedel demonstriert – erst ohne, und jetzt mit Flüchtlingen im Ort. Vergangene Woche meldeten die Veranstalter wieder 1200 Demonstranten.

Verachtung für das, was aus Berlin kommt

In Chemnitz hatte sich Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) zwei Tage zuvor bei einer Asyldebatte mit mehr als 1000 Bürgern um Ausgleich bemüht und wurde in der sächsischen Presse als Moderatorin gelobt. In Chemnitz selbst ist Pegida nie so richtig groß geworden. Doch hier draußen vor der Stadt hält sich der Widerstand hartnäckig. Den Asylgipfel in der Stadthalle nennt eine Rednerin auf der Kundgebung „Gipfel des Schwachsinns“. Von „Spendenhysterie für Flüchtlinge“ und „zwangsweiser Gewaltintegration von Millionen andersgläubigen Menschen in einem christlich geprägten Land“ ist die Rede.

Polizisten Anfang Januar vor der Flüchtlingsunterkunft in Einsiedel. Die Unterbringung von Asylsuchenden in dem Vorort von Chemnitz ist heftig umkämpft.
Polizisten Anfang Januar vor der Flüchtlingsunterkunft in Einsiedel. Die Unterbringung von Asylsuchenden in dem Vorort von Chemnitz ist heftig umkämpft.

© Hendrik Schmidt/dpa

Für das, was aus Berlin kommt, gibt es bei den Asylgegnern in Einsiedel nur Verachtung. Nachdem der Ort bundesweit in die Schlagzeilen geraten war, ehrte Sigmar Gabriel eine SPD-Ortschaftsrätin und Flüchtlingshelferin auf dem Bundesparteitag für ihren Kampf „gegen die Rechtsradikalen“. In Einsiedel war man empört. „Wir sind kein Nazi-Dorf“, hieß es allenthalben. Auch Ortsvorsteher Ulbrich beklagte, Gabriel habe Öl ins Feuer gegossen. Das Treffen in Berlin hat beide versöhnt – doch die Wut in Einsiedel ist nicht verstummt.

Plauen im Vogtland. Hier begann im Herbst 1989 die friedliche Revolution in der DDR. Nun will ein Steakhouse-Betreiber für eine Asylreform das Grundgesetz ändern. Michael Oheim meldete im vergangenen September die erste Kundgebung auf dem Marktplatz an. „Wir sind Deutschland“, nennt sich seine Initiative. Bis zu 5000 Menschen kamen schon zu den sonntäglichen Veranstaltungen, vergangene Woche waren es noch 700. Fahnen, Transparente und Parolen sind in Plauen unerwünscht. Man versucht hier zu differenzieren, will nicht die Flüchtlinge angreifen, sondern die Politik. Manchmal gelingt das, manchmal aber auch nicht.

Lob für die AfD-Forderung nach Schusswaffeneinsatz an der Grenze

Am vergangenen Sonntag zeigt ein Schauspieler des Theaters Plauen-Zwickau auf der Bühne Sympathie für das Zusammenleben mit Migranten. Er freue sich darauf, in ein paar Jahren in Plauen syrisch essen zu gehen. Ein anderer Redner lobt AfD-Chefin Frauke Petry für ihre Forderung nach dem Einsatz von Schusswaffen gegen Flüchtlinge an der deutschen Grenze. Kulturfremde Einwanderer seien nicht integrierbar. Michael Oheim selbst erklärte einmal: „Wir distanzieren uns von Lutz Bachmann, der ist viel zu weit rechts.“ Er sagte aber auch: „Wir distanzieren uns nicht von Pegida.“ In Dresden habe das Volk sonst niemanden, dem es nachlaufen könne.

Im Erzgebirge indes gibt es eine Reihe Initiativen, denen man sich als besorgter Bürger anschließen kann. Und die sind gerade dabei, sich zu vernetzen. Vor zwei Wochen fand in der Kleinstadt Stollberg ein Sternmarsch von Asylkritikern aus mehr als einem Dutzend südsächsischer Orte statt. Organisiert von einem Bündnis „Stollberger Patrioten“ zogen etwa 2000 Menschen mit Parolen wie „Heimat, Freiheit, Tradition – Multikulti Endstation“ durch die Stadt, mittendrin ein Block der neu-rechten Identitären Bewegung.

Beteiligt war hier auch die Initiative „Ein Prozent für unser Land“ des Publizisten und Politaktivisten Götz Kubitschek. Ein Prozent der Bevölkerung, so die Idee seiner rechten Graswurzelbewegung, reiche aus, um sich „gegen die Auflösung unseres Staates“ durch die „Flüchtlingsinvasion“ zur Wehr zu setzen. Bundesweit versucht man, in vielen Orten Fuß zu fassen. In Einsiedel drehte die Initiative Kurzfilme über den „zivilen Ungehorsam“ und sicherte Unterstützung zu.

Am Samstag kommender Woche wollen vernetzte Asylgegner aus Südwestsachsen zum „1. Zwickauer Sternmarsch“ auf die Straße gehen. Jürgen Elsässer vom rechtspopulistischen „Compact“-Magazin ist als Redner angekündigt. Auch hier kommt Hilfe aus der neu-rechten Szene für die Veranstalter vom „Bürgerforum Zwickau“. Sprecher Maik Schätzlein: „Die Identitären spielen bei uns keine tragende Rolle, wohl aber eine unterstützende.“

Der Autor ist Redakteur der Chemnitzer "Freien Presse".

Oliver Hach

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