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Update

Anti-Atom-Bewegung: Schlagstockeinsatz gegen Castorgegner

Mit Schlagstöcken und Pfefferspray hat die Polizei verhindert, dass Demonstranten in Dannenberg die mögliche Strecke des Castortransports unterhöhlen. Der atomar beladene Zug ist inzwischen in Deutschland eingetroffen. Im Wendland werden die größten Proteste seit Jahrzehnten erwartet.

Am Rande der Demonstration in Dannenberg gegen den Castor-Transport haben rund 150 Demonstranten versucht, die mögliche Transportstrecke zu unterhöhlen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein, um die Aktion zu unterbinden. Zudem warfen die Demonstranten, darunter auch Autonome, laut Polizei Steine auf die Beamten. Demonstranten hätten zwar an der Landstraße zwischen Dannenberg und Splietau ein Loch gegraben, die Transportstrecke aber nicht unterhöhlt, sagte ein Polizeisprecher am Samstagnachmittag.

Bei einem früheren Transport hatten Castor-Gegner eine der beiden Straßen, die ins Zwischenlager Gorleben führen, mit einem Tunnel untergraben und damit für die Schwertransporter unpassierbar gemacht. Seitdem schreitet die Polizei gegen solche Aktionen konsequent ein.

An der Demonstration hatten sich zuvor nach Veranstalterangaben 50 000 Menschen beteiligt. Zahlreiche Traktoren wurden unterdessen von Bauern an einer Kreuzung in Splietau, wo der Transport mit hoch radioaktivem Atommüll auf seinen letzten Straßenkilometern ins Zwischenlager Gorleben wahrscheinlich fährt, so ineinander verkeilt, dass dort bis auf weiteres kein Durchkommen mehr ist. Der Transport wird am Sonntag im Wendland erwartet.

Der atomar beladene Zug hat Deutschland inzwischen erreicht. Der Zug mit elf Atommüllbehältern passierte am frühen Samstagnachmittag bei Kehl die deutsch-französische Grenze. Vor der Ankunft des Transportes im niedersächsischen Gorleben demonstrierten Tausende Menschen gegen die Atompolitik der Bundesregierung. Zu der zentralen Kundgebung in Dannenberg kamen nach Angaben der Veranstalter mehr als 50.000 Menschen. Die Polizei nannte diese Zahl viel zu hoch und sprach dagegen von mehr als 10.000 Demonstranten.

Der Transport habe um 13.54 Uhr bei Kehl die Grenze passiert, sagte eine Sprecherin der federführenden Polizei in Lüneburg. Der Zug habe nicht in Kehl gestoppt, die Lok werde später ausgewechselt.

Der Zug hatte eigentlich von Straßburg zum französischen Grenzort Lauterbourg und von dort weiter nach Deutschland fahren sollen. Gegen Mittag war dort nach Angaben der Atomkraftgegner zwischen 1000 und 2000, nach Polizeiangaben deutlich mehr als 500 Demonstranten gelungen, auf die Gleise zu gelangen und diese zu blockieren. Ungeachtet der Änderung der Fahrtroute begann die Polizei am Nachmittag mit der Räumung der Bahnanlagen. Zuvor waren bereits bei Lauterbourg mehrere Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace, die sich dort an den Gleisen festgekettet hatten, von den Bahnanlagen entfernt worden.

Im niedersächsischen Wendland haben am Vormittag die Protestaktionen gegen den Castortransport nach Gorleben begonnen. Atomkraftgegner machten sich mit mehr als 100 Traktoren auf den Weg zur großen Anti-Atom-Demonstration am Nachmittag in Dannenberg. Die Bürgerinitiativen erwarten rund 40.000 Menschen im Wendland – so viele wie seit 30 Jahren nicht.

Für viele Grünen sind die Proteste ein Pflichttermin. Claudia Roth und Cem Ötzdemir sind vor Ort. Der Bundesvorstandes der Grünen hat in einem Gasthof in Pevestorf-Hoehbeck im Landkreis Lüchow-Dannenberg getagt. Die Herausfordererin von Klaus Wowereit, Renate Künast, ist nicht vor Ort.

Grünen-Chefin Claudia Roth nahm auf einem Traktor Platz. Der Protestzug zeige, dass ein breites Bündnis sich gegen „eine gefährlich falsche Politik von Schwarz-Gelb“ stelle, sagte Roth. Der Protest richte sich sowohl gegen die seit kurzem wieder mögliche Erkundung des nahe gelegenen Salzstocks von Gorleben als Endlager für hochradioaktiven Atommüll als auch gegen die von der schwarz-gelben Koalition durchgesetzte Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolge eine „Politik, die total rückwärts gewandt“ sei, kritisierte Roth. Mit ihrem Politikstil einer „Arroganz der Macht“ verärgere Schwarz-Gelb die Bürger.

Bereits Stunden vor der großen Demonstration in Dannenberg sperrte die Polizei zahlreiche Straßen, Hubschrauber kreisten über der Region. Mehr als 16.000 Beamte sind in Bereitschaft. An beinahe jeder Straßenecke waren bereits am Freitag Einsatzfahrzeuge postiert, Wasserwerfer standen bereit. Bislang blieben Krawalle aus. Sorgen macht den Einsatzkräften jedoch das strafbare "Schottern", bei dem Atomkraftgegner massenhaft Steine aus dem Gleisbett entfernt wollen, um ein Weiterfahren des Castor-Zuges zu verhindern.

Die elf Castor-Behälter enthalten 123 Tonnen Atommüll aus deutschen Atomkraftwerken, der in der nordfranzösischen Anlage La Hague aufgearbeitet wurde und nun zurück nach Deutschland soll. Der Zug war am Freitag vom Verladebahnhof Valognes gestartet und wurde in Nordfrankreich von Atomkraftgegnern vorübergehend aufgehalten. Sieben Aktivisten, darunter ein Deutscher, wurden festgenommen.

An den Protesten gegen den Transport wollen auch zahlreiche Vertreter der Opposition teilnehmen. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin wird auf der Kundgebung in Dannenberg erwartet, auch Linken-Fraktionschef Gregor Gysi bereitete sich auf seine Protestfahrt mit einem Trecker vor.

SPD-Chef Gabriel forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, nach Gorleben zu fahren und gemeinsam mit den vier Vorsitzenden der Atomkonzerne mit den Demonstranten zu diskutieren. "Denn Frau Merkel und ihre vier Freunde sind es, die einen gesellschaftlichen Großkonflikt wieder eröffnet haben, der durch den Atomausstieg längst befriedet war", sagte Gabriel.

Angesichts der Entscheidung der Bundesregierung, die Atomlaufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern, rechnet die Anti-Atom-Bewegung mit einem besonders großen Zulauf. Zudem kritisiert sie die Wiederaufnahme der Erkundung des Salzstocks in Gorleben kritisiert, der ganz in der Nähe des oberirdischen Zwischenlagers liegt. Die Bevölkerung fürchtet, dass hier das Endlager für hoch radioaktiven Atommüll errichtet werden soll.

Der niedersächsische Verfassungsschutz warnte vor einer großen Zahl von Demonstranten, die vor Straftaten nicht zurückschrecken. "Wir gehen davon aus, dass einige hundert gewaltbereite Autonome die Castor-Proteste für ihre Zwecke missbrauchen wollen", sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Werner Wargel. Erwartet würden etwa doppelt so viele Linksradikale wie beim Transport 2008. Dieser harte Kern der Linksextremisten sei aber nur eines der Probleme. "Hinzu kommen weitere, zum Teil linksextremistische Gruppen, die offensichtlich eine hohe Bereitschaft zu Straftaten haben", erklärte Wargel. Dies bedeute für die Sicherheitskräfte "eine deutlich brisantere Mischung als bei vergangenen Transporten".

Die Führung der Grünen machte dagegen die Bundesregierung für eine mögliche gewalttätige Eskalation bei den Protesten verantwortlich. "Die Regierung redet nicht mit der Bevölkerung, sondern will Konflikte mit Wasserwerfern lösen", sagte Parteichef Cem Özdemir. Die schwarz-gelbe Bundesregierung habe einen von Rot-Grün befriedeten Konflikt wieder aufgerissen, sagte auch die Parteivorsitzende Claudia Roth. (AFP/dpa)

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