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Anti-Putin-Demonstration: Hunderte ohne Erklärung festgenommen

Unter massivem Polizeiaufgebot haben am Wochenende in Moskau rund 2000 Menschen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin demonstriert. Nach Angaben der Organisatoren wurden hunderte Menschen ohne Erklärung festgenommen, die zu der Versammlung wollten.

Moskau/Hamburg - Mehr als 8000 Polizisten und Soldaten waren am Samstag im Stadtzentrum im Einsatz. Der Mitinitiator des "Marsches der Unwilligen", Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow, bezeichnete Russland in der "Bild am Sonntag" als "Polizeistaat". Wegen einer geplanten Demonstration zum Gedenken an in Russland getötete Journalisten blieb das Polizeiaufgebot in Moskau auch am Sonntag hoch.

Die Polizei bewachte den Triumfalnaja-Platz im Stadtzentrum mit Anti-Aufruhr-Einheiten, Kampfhunden, Wasserwerfern und einem Hubschrauber. "Wir brauchen ein anderes Russland" und "Nein zum Krieg in Tschetschenien" stand unter anderem auf den Spruchbändern, welche die knapp 2000 Demonstranten hochhielten. "Ich bin schockiert", sagte einer der wenigen noch verbliebenen unabhängigen Abgeordneten im russischen Parlament, Wladimir Rischkow, zum Vorgehen der Sicherheitskräfte. Das alles zeige, "dass Russland keine Demokratie mehr ist, sondern ein Polizeistaat, in dem jede friedliche Oppositionskundgebung als Bedrohung für das Regime betrachtet wird".

Hunderte ohne Erklärung festgenommen

Organisatoren der Demonstration sagten, die Polizei habe hunderte Menschen, die zu der Kundgebung anreisen wollten, aus Zügen und Bussen geholt und ohne Erklärung festgenommen. Fast ununterbrochen kreiste ein Polizeihubschrauber tief über dem Platz, so dass die kurzen Sprechchöre der Demonstranten kaum zu hören waren. Behelmte Anti-Aufruhr-Einheiten der Polizei und Soldaten in Flecktarn standen in langen Reihen bereit zum Einschreiten; zwei Wasserwerfer, mindestens ein Dutzend Kampfhunde sowie Stacheldrahtrollen sorgten für weitere Abschreckung.

Zu dem "Marsch der Unwilligen" hatten neben der von Kasparow geführten Vereinigten Bürgerfront auch die Volksdemokratische Union des ehemaligen Regierungschefs Michail Kasjanow, die Nationalbolschewistische Partei von Eduard Limonow und weitere Gruppierungen aufgerufen. Auch am Sonntag blieb in Moskau ein massives Polizeiaufgebot im Einsatz, weil die unabhängige Russische Journalistenunion zu einer Kundgebung für die mehr als 200 Journalisten aufgerufen hatte, die in den vergangenen 15 Jahren in dem Land getötet wurden.

Kasparow fürchtet um seine Sicherheit

Kasparow sagte der "BamS", er fürchte nach den Morden an der Journalistin Anna Politkowskaja und dem Ex-Spion Alexander Litvinenko um seine Sicherheit. "Um ehrlich zu sein, ist mir manchmal angst und bange zumute", sagte Kasparow. "Ich habe Bodyguards, denke, dass ich vor einem Anschlag wie dem, bei dem Anna Politkowskaja ihr Leben verlor, geschützt bin." Gegen Angriffe wie den auf Litvinenko, der vergiftet wurde, "oder den Ölbaron Michail Chodorkowski, der in einem sibirischen Straflager einsitzt, kann man sich aber nicht wirksam schützen", fügte der Oppositionspolitiker hinzu.

In Russland unternehme die Staatsmacht nicht einmal mehr den Versuch, die eigenen Gesetze einzuhalten. Störten diese, würden sie einfach beiseite geschoben, kritisierte Kasparow. Von einer "Diktatur" zu sprechen sei aber "wahrscheinlich zu früh". Der Ex-Schachweltmeister forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, während Deutschlands Vorsitz in der Europäischen Union und der Gruppe der G-8-Staaten im kommenden Jahr nicht um Menschenrechtsverletzungen in Russland herumzureden. Er sprach sich außerdem dafür aus, Russland aus der G-8-Gruppe auszuschließen. (tso/AFP)

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