zum Hauptinhalt
Donald Trump, dich hasst sich's besser.

© AFP / MOLLY RILEY

Antiamerikanismus in Europa: Trump taugt nicht als Feindbild

Donald Trump personalisiert europäische Vorurteile gegenüber den USA. Doch mit vielen seiner Ansichten ist der Republikanern seinen Kritikern näher als ihnen lieb ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Martin Niewendick

Würde man sämtliche Vorurteile, die in Deutschland und Europa gegenüber den USA bestehen, in eine Karikatur packen – es käme wohl Donald Trump heraus. Ein wohlgenährter Unsympath mit dämonischem Grinsen, der mit einem Geldsack über der Schulter auf einer Atombombe reitet. Der Milliardär ist scheinbar ein gefundenes Fressen für alle, die schon immer wussten, dass „der Ami“ die Wurzel allen Übels in der Welt ist.

Dabei taugt wohl kein US-Politiker von Rang weniger zum Feindbild für europäische Antiamerikaner als Donald Trump. Denn durch Trumps mannigfaltiges Sammelsurium an merkwürdigen, absurden und skandalösen Aussagen zieht sich eine rote Linie, die nicht zum Klischee der imperialistischen Supermacht passt: eine antiwestliche Agenda. Und damit ist er gerade seinen Kritikern näher, als diesen lieb sein kann.

Beispiel Russland. Dass der republikanische Präsidentschaftskandidat viele Sympathien für Kremlchef Putin hegt, ist kein Geheimnis. Putin mache „einen tollen Job“, findet Trump und sieht die USA künftig Seite an Seite mit Russland „den Weltfrieden wiederherstellen“. Putin als Friedensengel: Das populärste Märchen der sogenannten Friedensbewegung.

Beispiel Israel. Anfang des Jahres sagte Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in South Carolina, im Nahostkonflikt werde er ein „neutraler Typ“ sein. „Ich möchte nicht sagen, wessen Fehler es ist.“ Bei einer Fernsehdebatte im März stieß er in ein ähnliches Horn. Klartext: Er macht erst einmal keinen Unterschied zwischen einer westlich geprägten Demokratie und Islamisten. Die Israel-Boykott-Bewegung müsste eigentlich Beifall klatschen.

Imperialismus? Fehlanzeige.

Hinzu kommen Trumps ablehnende Töne gegenüber der Nato. Mit Blick auf die Kosten wolle er das amerikanische Engagement in dem transatlantischen Verteidigungsbündnis eindämmen, deutete er an. „Die Nato kostet uns ein Vermögen“, sagte er vor einigen Monaten in einem Interview mit der „Washington Post“ und stellte die Frage, warum sich nicht Deutschland um die Ukraine kümmern könne. Imperialistische Weltmachtssucht klingt anders.

Zugegeben: Trumps Anbiederung an die US-Waffenlobby, seine Forderung nach Deportation aller „Illegalen“ und seine sexistischen Sprüche passen wiederum gut in das Bild des hässlichen Amis, vor allem Linke dürften davon abgeschreckt sein. Sie sind angesichts der geopolitischen Tabus, die Trump (bislang nur verbal) gebrochen hat, aber eher Fußnoten.

Hass mit Leidenschaft

Anklang finden dürfte dies wohl eher bei rechten Amerika-Hassern. Dass ihr Groll gegen den „Yankee“ dadurch nennenswert geschmälert wird, ist nicht überliefert. Ungeachtet aller ideologischen Gemeinsamkeiten bleibt Trump ein zentrales Feindbild.

Das zeigt, dass die Kritik an den USA sich oft nur noch aus puren Ressentiments speist. Dies belegt auch ein Blick auf die jüngere Geschichte: Gegen kein Land der Welt wird in Deutschland leidenschaftlicher protestiert, nicht gegen Saudi-Arabien, den Iran oder Nordkorea.

Die Demonstration in der Hauptstadt gegen das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) im vergangenen Herbst war die größte seit der Demonstration in Berlin gegen die amerikanische Militärintervention im Irak 2003. Und diese wiederum war die größte in der Geschichte der Bundesrepublik.

Zur Startseite